Als ich Musik gemacht habe, Teil VI

Punkbands pflegen sich ja stets direkt nach Veröffentlichung des ersten Albums aufzulösen, um bloß nicht in die Kommerzialisierungsfalle zu tappen. Das war bei unseren Projekten 2 Boys 4 Love und Base-Box allerdings gar nicht nötig, denn einerseits klang unsere Musik von vornherein extrem kommerziell, andererseits hat sich auch kaum jemand für die Werke interessiert, außer ein paar dutzend Musiksaugern auf den diversen Online-Plattformen.

Die Gründe, warum sich Base-Box dann 1999 doch auflöste, waren schlicht organisatorischer Natur: Abitur, Zivildienst, Umzug, Studium – da blieb nicht viel gemeinsame Zeit für zwei Hobbyproduzenten, die sich vor allem über ihre Schulkameradschaft und die Arbeit an der Schülerzeitung definiert hatten.

Etwa ein Jahr lang also ruhte die Arbeit an neuer elektronischer Musik, bevor ich Ende 2000 nach Mainz in ein kleines Studentenappartement zog. Mit im Gepäck: mein treues Master-Keyboard, ein brandneuer Dr. Groove DR-202 von BOSS, sowie mein bewährter Escom-Tower. Zeit für das erste Soloprojekt, das auf den viel zu generischen Namen Chronos hörte.

Musikalisch orientierte ich mich diesmal an ruhigen instrumentalen Klängen – Café del Mar, Nightmares on Wax und die frühen Morcheeba waren meine Vorbilder, denn ich wollte weg vom bunten und lustigen Mainstream-Pop. Lieber die Musik machen, die ich tatsächlich auch selber am liebsten hörte! (Und wie es sich gehört, ist mein Musikgeschmack auch exakt hier eingefroren: Ich bevorzuge immer noch das gleiche Zeug, was ich mit Anfang 20 konsumiert habe. Ihr etwa nicht?)

Technisch rüstete ich freilich abermals auf, und zwar sowohl in Hard- als auch in Software. Der schon erwähnte Dr. Groove war mein erstes externes Gerät zur Sounderzeugung; Davor entstanden die eigentlichen Klänge grundsätzlich virtuell im Rechner. Für mich eine Herausforderung, denn erstmals brauchte ich tatsächlich ein Hardware-Mischpult zum Abmischen, um die beiden Klangquellen zusammenzuführen. (Das Mischpult hatte ich natürlich vorher schon, allerdings nur zur Mikrofonverstärkung …) Der Dr. Groove ist ein ganz netter kleiner Drumcomputer, welcher vergleichsweise amtliche Klänge eingebaut hat, und auch mit melodischen Basslines klarkommt. Im Grunde ist er für den Live-Einsatz von DJs konzipiert, aber auch im Rahmen meiner Cubasis-Arrangements ließ er sich natürlich per MIDI problemlos einbinden. Er brummt ein wenig, zugegeben.

Doch auch auf Software-Seite gab es Neuerungen: Ich entdeckte virtuelle Synthesizer und Effektgeräte in Form von VST-Modulen! Cubase (und seine Light-Version Cubasis) bot unglaublicherweise die Möglichkeit, Softwareinstrumente von Drittanbietern einzubinden, was für mich einer Offenbarung gleichkam – obschon durch meine lahme CPU ein wenig begrenzt. Doch ich erinnere mich noch daran, wie ich große Mengen von Shareware- und Freeware-Hallgeneratoren durchprobierte, sowie nach schicken, analog klingenden Synthesizern Ausschau hielt. Ich wurde fündig!

Somit sind die Produktionen von Chronos eine Mischung aus Drums und Basslines vom externen Dr. Groove, Melodie- und Harmonietracks aus der (seit 2 Boys 4 Love-Zeiten im Einsatz befindlichen) Wavetable-Soundkarte Yamaha DB 50-XG, weiteren Melodie-Tracks und Effekten aus verschiedenen virtuellen VST-Modulen, sowie natürlich klassische Samples und Drumloops aus der Retorte. Um Letztere zu finden, erwarb ich für günstiges Geld ein 8er-Set von CD-ROMs, in dem viele tausend Samples, Loops und Single-Shots aus den diversesten Genres enthalten waren. Absolut keine Profi-Qualität, aber ich konnte mir die eine oder andere Frauenstimme ausleihen und gewinnbringend einsetzen.

Eigenen Input lieferte ich vereinzelt in Form von Cello-Solos, die ich aber deutlich verzerrte und mit Effekten eher unkenntlich machte. Ebenso im Spiel: Zweckentfremdeter Mönchgesang (einmal Enigma, immer Enigma …), sowie ein aus dem Gedächtnis gecovertes Lied aus Lemmings, welches dort – wie ich sehr viel später erfuhr – auch bereits ein Cover aus Shadow of the Beast auf dem Amiga war. Sämtliche Rechte sind nicht geklärt.

Insgesamt sind von 2000 bis 2001 fünf sphärisch-chillige Songs entstanden, plus ein missratener Jungle-Versuch, den ich aber nicht mitzähle. In bester Jean-Michel-Jarre-Manier sind die Titel der einzelnen Songs durchnummeriert und tragen den gleichen Namen wie das Album: Introvert. Okay, man müsste im Grunde von einer EP sprechen. Es ist Musik, die mir noch heute fast überhaupt nicht peinlich ist – im Gegensatz zu unseren früheren »Werken«. Ein bisschen langweilig: ja. Aber definitiv von einer gewissen Zeitlosigkeit geprägt.

Das Musikmachen war damals eine ideale Zeitbeschäftigung im ersten Semester: Ich wohnte alleine, hatte lange Abende zu füllen und machte mir bei einsamen Nachtspaziergängen viele Gedanken über Grooves, die ich mal ausprobieren wollte.

Überhaupt stand bei den meisten meiner Lieder am Anfang eine Rhythmus- oder Groove-Idee. Ich war und bin kein Melodienerfinder. Erst Groove, dann Harmonie, und am Ende dann irgendeine Melodie, damit es sich nicht so leer anfühlt – so ging das bei mir fast immer. Ach ja: Text gab es dann auch noch, zumindest bei den früheren Projekten. Aber mit Text haben wir uns grundsätzlich nie lange aufgehalten.

Mit diesem Absatz schließt sich diese kleine Reihe, die ich mit voller Ignoranz gegenüber meinen Stammlesern geschrieben habe. Es ist meine Art, einen Teil meines Lebens autobiografisch festzuhalten, damit ich es später nicht vergesse. Ich wünsche euch abschließend noch viel Spaß mit Introvert 1 und Introvert 3. Und natürlich dem Hinweis, dass man mein vorzeigbares Gesamtwerk unter der Adresse base-box.de in Form einer ZIP-Datei kostenlos herunterladen kann!

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