Als ich Musik gemacht habe, Teil V

Neben all den elektronischen und Mainstream-imitierenden Klängen darf eine nicht unwichtige Episode meiner musikalischen Laufbahn nicht verschwiegen werden: Die Mondstaub-Zeit. Nach meinem Abitur ging die Zusammenarbeit mit Kumpel Johannes naturgemäß ihrem Ende zu, und ich startete in einen weitestgehend stressfreien Zivildienst, in dem ich jede Menge Zeit für neue musikalische Horizonte hatte.

Fragt mich nicht. Aber die Reise führte mich zur Liedermacher-Zunft, obwohl ich dieser Musik bis heute überhaupt nichts abgewinnen kann! In meinem Freundeskreis tat sich Dirk aber schon seit einigen Jahren als politisch-lyrischer, ein bisschen christlich angehauchter Liedermacher hervor und spielte – erst alleine, dann mit einer kleinen Combo namens »Mondstaub« – in diversen evangelischen Gemeinden vor sich hin. Kaum gegründet, veränderte sich die Band personell und wollte auch weg vom Christen-Image. Zeit, dass ich da mal nach dem Rechten sah!

Mondstaub bestand in den Jahren 1999 bis Anfang 2001 unter meiner Mitwirkung aus Dirk (Gitarre, Gesang, Songwriting), Michi (E-Bass, Songwriting), Gerrit (Cello) und erhielt perkussive Unterstützung durch Patrick, der jedoch kein festes Mitglied war. Meine Aufgabe war, neben der Klangaufhübschung durch Cello-Begleitung und -Soli, vor allem das Coaching von Frontmann Dirk, der so manches Mal Probleme mit dem Rhythmus und der Metrik seiner eigenen Texte hatte (jaja …). Außerdem kümmerte ich mich um die technische Produktion unserer Studio-Aufnahmen. Wobei »Studio« wieder einmal eine himmelschreiende Übertreibung darstellt: Natürlich fand das alles in diversen elterlichen Haushalten statt, aber durch meine Erfahrung mit 2 Boys 4 Love und Base-Box konne ich auch ohne professionelle Aufnahmetechnik ganz anständige Demo-Qualität erreichen. Die Software machte es möglich!

Mondstaub

Mondstaub spielte insgesamt träumerische und teilweise herzschmerzverursachende Musik mit starkem Schwerpunkt auf deutschen Texten. Intellektueller als die peinlichen Sachen von PUR, weniger verschlüsselt als Blumfeld, bodenständiger als Tocotronic, aber grundsätzlich irgendwo dazwischen. Wir haben uns sogar eine eigene Musikrichtung für uns ausgedacht: Fachwerk. Hat nie einer näher nachgefragt ;-)

Wie es sich für eine amtliche Hobbyband gehört, gab es trotz der kurzen Zeit, die wir miteinander haten, eine EP mit sechs vollwertigen Titeln: »Verlorene Träume«. Auf fünf Liedern ist Patrick mit seinem Schlagzeug zu hören, wobei der Clou darin bestand, dass er niemals mit uns geprobt hatte, und wir seine Soundspur trotzdem als erstes aufgenommen hatten. Er konnte also nur eine grobe Ahnung davon haben, was er da eigentlich spielte; Songstruktur, Tempo und Grundstimmung hatten wir ihm in einem kurzen Briefing mitgeteilt, den Rest hat er ins Blinde improvisiert. Die Drum-Aufnahmen dienten uns dann als Grundlage für die weiteren Spuren: Gitarre, Gesang, Bass und Cello. Alles einzeln in Cubasis aufgenommen, dann noch minimal abgemischt und mit Hall versehen: Fertig! Sehr garagig. Im Grunde wäre Mondstaub tatsächlich ein ideales Anwendungsfeld für die Apple-Software GarageBand gewesen, doch selbstverständlich war anno 2000 daran noch nicht zu denken. Ich war ja froh, dass mein Rechner genügend Festplattenspeicher und CPU-Power hatte, um die ganzen unkomprimierten Tracks gleichzeitig zu speichern und abzuspielen. Ich meine mich allerdings zu erinnern, dass ich Gesang und Gitarre vor der Aufnahme durch ein eigens erworbenes Hallgerät geschickt habe, um Rechenzeit zu sparen. Verrückt!

Beim ersten Lied (»Wir wagen es nochmal«) mussten wir leider auf Patricks Perkussions-Performance verzichten, und ich bastelte (ohne jegliche Erfahrung am echten Schlagzeug) die Drums per MIDI-Soundkarte hinzu. Sie klingen völlig anders als bei den anderen Stücken, allerdings nicht unbedingt schlechter. Man würde sagen: poppiger und exakter. Und steriler, natürlich.

Mit diesem zusammengestückelten Erstlingswerk wagten wir es nun, uns beim jährlichen Würzburger Festival »Umsonst & Draussen« zu bewerben (nachdem wir bereits Anfang Juni 2001 einen ersten Auftritt im Würzburger Omnibus selber organisiert hatten). Wir konnten auf dem U&D schon die Jahre zuvor erste Erfahrungen als Straßenmusiker sammeln (in der »offenen Stunde«), doch dieses Mal wollten wir offiziell auf die Bühne, egal wie klein. Und was soll ich sagen? Es hat tatsächlich geklappt! Ich weiß nicht mehr ganz exakt, wie es war, aber eine Performance von Mondstaub auf dem U&D im Sommer 2001 markierte den Höhepunkt unserer bescheidenen Karriere. Im Zelt war die Stimmung insgesamt positiv, wenn auch keine gigantische Mengen an Zuhörern vor Ort war. Wir waren trotzdem zufrieden, wenn wir uns auch ein wenig wie Betrüger fühlen, denn wir sahen uns gar nicht als echte Rockband, schon gar nicht im Vergleich zu dem Niveau, welches die anderen Band auf dem Festival vorlegten. Aber wir hatten eine Menge Fans, die sich in erster Linie aus persönlichen Freunden zusammensetzen. Gut für unseren dritten richtigen Live-Auftritt, welcher im Herbst 2001 im Schweinfurter Stattbahnhof über die Bühne ging!

Beim dortigen Band-Contest waren wir zwar, objektiv betrachtet, die mindestens zweitschlechteste Gruppe, doch unsere mitgebrachten Freunde verhalfen uns zum begeistertsten Applaus aller Teilnehmer. Dass das die Jury letztlich nicht interessierte, war aber nur fair und richtig: Wir hätten auch gar nicht so recht gewusst, was wir im Falle eines Gewinns angestellt hätten, denn danach ging alles relativ flott; Ich zog nach Mainz, um dort zu studieren, Dirk wurde Lehrer, und Mondstaub bleibt heute nicht viel mehr als eine schöne Erinnerung in meiner Übergangszeit zwischen Schule und Designkarriere.

Wir hören nun zum Abschluss »Wir wagen es nochmal« (das Lied mit den MIDI-Drums):

Und: »Sie hat Schluss gemacht«, einer der ersten gemeinsamen Songs, den ich übrigens ein paar Wochen später – relativ respektlos – für Base-Box gecovert habe.

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