Flash im Jahr 2008

Die ganze Flash-Thematik lässt mich irgendwie nicht los. John Gruber hat sich in den letzten Tagen ein wenig Gedanken gemacht über Flash auf dem iPhone. Die meisten von euch wissen sicher, dass die mobile Version von Safari keine Möglichkeit hat, Flash-Inhalte anzuzeigen, was Apple-Kritiker immer wieder zu höhnischen Kommentaren veranlasst. Zumal Apple in einem der ersten iPhone-Werbespots behauptet, auf dem iPhone würde man ja das echte Internet zu Gesicht bekommen, nicht irgendeine verkleinerte, angepasste und nicht wiederzuerkennende Version des Internets. John Gruber hat diesen Konflikt relativ schnell weggewischt – ohne wirklich zu diskutieren, ob Flash wirklich ein kritischer Fakor ist, von dem die gewünschte und erwartete Internet-Wahrnehmung abhängig ist.

Und diese Frage beschäftigt mich schon seit längerer Zeit. Klar ist: Flash ist kein Webstandard, der vom W3C als solcher anerkannt wird. Klar ist aber auch: Browser mit aktuellem Flash-Plugin sind wesentlich häufiger anzutreffen als »Webstandards-konforme« [1] Browser. Ein De-facto-Standard also, der jedoch im realen Leben da draußen wichtiger und selbstverständlicher ist als die echten Standards. Seltsame Situation, oder?

Denn seien wir ehrlich: Ohne Flash ist das Web derzeit nicht vollständig: Der Siegeszug von Flash-Video, mit dem YouTube vor drei Jahren erst bekannt werden konnte, und auch die vielen kleinen Bildergalerien, Diagramm-Tools, und nicht zuletzt eine immer noch große Menge an Fotografen- und Künstlerwebsites machen das deutlich.

Jeder weiß, dass ich sehr unverdächtig bin, Flash zu bejubeln. Darum geht es mir auch nicht. Ich selber verwende Flash eigentlich ausschließlich für Video und für die animierte/angehübschte Darstellung von Inhalten, die per DOM-Scripting aus dem HTML extrahiert werden, zum Beispiel auf der 3st-Website. Wenn jemand kein Flash hat, sieht er eine normale HTML/CSS-Darstellung der Inhalte. Ich denke, dass dies einen guten Mittelweg darstellt, um dem Status als De-facto-Standard gerecht zu werden.

Interessant wird es nun bei der zukünftigen Darstellung von Videos. Die aktuellen Versionen des Flash-Plugins können nun mit H.264-Videodateien umgehen, was grandios ist! Denn hinter H.264 verbirgt sich ein echter Industriestandard, eine Geschmacksrichtung von MPEG-4, die auch auf iPods, Blue-Ray-Scheiben und vielen aktuellen Mobiltelefonen funktioniert. Nun gilt es, eine Frontend-Programmierung zu kreieren, die das beste aus beiden Welten verbindet! Das Video existiert dabei nur noch in einer einzigen Version, nämlich als H.264-Videodatei. Die Frage ist: Wer übernimmt die Darstellung auf der Website? Das video-Element existiert leider erst in HTML5, und darauf müssen wir noch ein wenig warten. Bis dahin muss wahrscheinlich per JavaScript entschieden werden, was passieren soll:

  • Wenn Flash in der passenden Version vorhanden ist, kümmert sich ein Flash-Videoplayer um das Abspielen (zum Beispiel der allseits bekannte Player von Jeroen Wijering)
  • Wenn kein Flash vorhanden ist, wird nach dem Quicktime-Plugin Ausschau gehalten. Dies würde dann ach auf dem aktuellen iPhone greifen.
  • Ist Quicktime auch nicht vorhanden, könnte man noch versuchen, einen entsprechend großen iFrame darzustellen, der einfach die nackte Filmdatei referenziert und hoffen, dass der Browser mit der Datei was anfangen kann (womöglich unter Linux, wo sowohl aktuelle Flashplugins als auch Quicktime eher selten anzutreffen sind).

Vielleicht bastele ich da mal ein Test-Szenario. Doch wo war ich stehen geblieben? Genau: bei der Rolle, die Flash im aktuellen Webdesign spielt, und ob das Fehlen des Flash-Plugins trotzdem rechtfertigt, vom »echten« Web zu sprechen. Ich denke, es hängt von der Definition ab. Streng technisch hat Apple natürlich recht, denn das Web wird vom W3C spezifiziert, und dort spielt Flash keine Rolle. Die freie Wildbahn sieht anders aus, und da würden es meines Erachtens alle iPhone-Besitzer gerne sehen, auch Flash-Elemente oder gar ganze Flash-Seiten nutzen zu können.

Es bleibt noch einiges zu tun:

  • Wir Webdesigner müssen noch einige Jahre stets sinnvolle Fallback-Lösungen anbieten, wenn Flash-Inhalte nicht nur reinen Dekorationszwecken dient.
  • Adobe sollte Flash noch weiter öffnen und es möglich machen, eigene Abspiel-Plugins zu programmieren. Derzeit lassen sich zwar Tools für das Erstellen von Flash-Inhalten entwickeln, aber für die Darstellung im Browser ist man auch offizielle oder reverse-engineerte Produkte angewiesen. Schade!
  • Adobe könnte auch den Flashplayer so erweitern, dass er SVG-Inhalte abspielt, oder?
  • Das W3C sollte in Erwägung ziehen, Flash zu einem echten Standard zu erheben – natürlich immer unter der Voraussetzung, dass die Specs komplett offen gelegt werden.

Flash wird nicht aus dem Web verschwinden. Und das ist auch generell gut so, denn es bereichert in vielen Fällen das Surf-Erlebnis. Wir müssen jedoch immer darauf achten, Flash nur dort einzusetzen, wo es echten Mehrwert bietet und die Zugänglichkeit nicht behindert. Und sollte Flash irgendwann ein echter, offener Standard sein, kann Apple auch getrost das iPhone dahingehend erweitern. Hugh.

1 Internet Explorer 6 ist in diesem Zusammenhang meines Erachtens kein webstandards-konformer Browser, weil er zuviele Spezifikationen falsch oder gar nicht interpretiert.