Windows-Fontrendering killt Webfont-Fließtext

Letzte Woche habe ich zwei der derzeit vier angekündigten Webfont-Services getestet und kam zu einem wirklich schlimmen Ergebnis, denn derzeit scheint unter Windows das Verwenden von Webfonts nur sehr eingeschränkt sinnvoll zu sein. Das liegt diesmal überraschenderweise nicht am Internet Explorer und seinem Beharren auf das komische EOT-Format. Im Gegenteil: Hier gibt es sogar Fortschritte zu vermelden, weil Schrifthersteller und Fontverzeichnisse inzwischen verstärkt auch EOT-Varianten ihrer Schriftdateien anbieten, wie zum Beispiel die @font-face Kits von FontSquirrel oder EOT-Lizenzen von Linotype.

Das Windows-Problem sitzt noch tiefer im System und betrifft prinzipiell alle Browser. Es nennt sich »Freie Wahl der Schriftglättung«, oder auch »Hinting-abhängige Schriftdarstellung«. Was ist die Schwierigkeit? Unter Windows werden nur solche Schriften wirklich ordentlich und gut lesbar auf dem Bildschirm angezeigt, die wirklich auch für den Bildschirm optimiert wurden. Sämtliche Systemfonts von Windows zählen selbstverständlich hinzu, insbesondere die 6 neuen C-Schriften und natürlich die Segoe UI. Diese Optimierung nennt sich Hinting und ist scheußlich anstrengend und zeitintensiv und macht so überhaupt keinen Spaß. Deswegen gibt es nur sehr wenige Schriften mit einem wirklich guten Hinting. Der allergrößte Teil von derzeit für @font-face zur Verfügung stehenden Schriften ist nicht gehintet und sieht unter Windows absolut schrottig aus, in verschiedenen Abstufungen. Je höher der gewählte Schriftgrad, desto besser. Außerdem gibt es Unterschiede bezüglich des Schriftformates und vor allem der eingestellten Schriftglättungsmethode. Man ahnt ja gar nicht, wie viele Windows-User es noch gibt, die ClearType nicht aktiviert haben! Und manche sind gar noch komplett ohne Glättung unterwegs und sehen somit nur eine 1-Bit-Pixelmatrix für jeden Buchstaben!

Der Grund, warum das bisher kaum aufgefallen ist: @font-face-Demoseiten sind meiste typografisch eindrucksvoll mit riesigen Schriftgraden gestaltet und nicht besonders realitätsnah.

Was ist mit dem Mac?

Mac OS X hat im Vergleich zu allen Windows-Versionen zwei Vorteile: Es ignoriert komplett die Hinting-Informationen der Fonts und versucht die Schriften auf eigene Faust optimal darzustellen. Darüber hinaus gibt es für den User so gut wie keine offizielle Möglichkeit, die eingebaute Schriftglättung zu deaktivieren, lediglich minimales Feintuning ist möglich. Der Effekt: Auf dem Mac wirkt ein und dieselbe Schrift im Vergleich zu Windows fetter, dunkler und etwas unschärfer, was die meisten Umsteiger zunächst verstören lässt. Doch fast alle Anwender beginnen nach ein paar Tagen oder Wochen diese Darstellung zu lieben, weil sie das ursprüngliche Design einer Schrift auch in kleineren Schriftgraden respektiert und nicht Form und Gewicht in ein Pixelraster zwängt. Denn beim Hinting passiert genau das: Strichstärken und Position von Schriftelementen werden künstlich in ein Raster gepresst, damit es knackig scharf aussieht und möglichst wenig Elemente »zwischen zwei Pixeln« angesiedelt sind.

Wie auch immer

Die Lösung des Dilemmas ist ebenso simpel wie aufwändig: Zumindest im Fließtext können wir nur solche Schriften per @font-face einbetten, die wirklich, wirklich, wirklich gut für die Windows-Darstellung optimiert sind. Das sind derzeit die wenigsten. Und bei den frei erhältlichen Schriften naturgemäß noch viel weniger. Webfont-Services müssen zwingend darauf achten, dass an dieser Stelle eine funktionierende Qualitätskontrolle stattfindet. Es kann nicht sein, dass wild Schriften angeboten werden, die unter Windows unbrauchbar sind!

Schriftgestalter Peter Bilak, der in Kürze seinen eigenen Webfont-Service Typotheque starten will, hat schon angekündigt, die wichtigsten Schnitte seiner wichtigsten Fonts zu hinten – für eine vollständige Überarbeitung fehlt noch die Zeit.

Für den webfont-willigen Webdesigner heißt das: Testen! Und zwar am besten nicht nur unter verschiedenen Windows-Versionen, sondern auch mit unterschiedlichen Schriftglättungs-Einstellungen – das ist dann sogar entscheidender als die Browsermarke, wie ungewöhnlich!

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