Web2.0 nicht Oma-kompatibel
5. Januar 2007
Weil Alex das dieses Jahr mit dem Bloggen wohl nicht mehr hinbekommt, wir uns aber neulich so interessant darüber unterhalten haben: Das Social Web ist definitiv nicht Oma-kompatibel. Vielleicht nicht mal Mama-kompatibel. Eigentlich ist Web2.0 nur was für nerdige 20–40jährige Westeuropäer/Amerikaner aus der Medienbranche. Wieso?
Ein realitätsnahes Beispiel: Es gibt Nachwuchs. In Zeiten von Digitalkameras bedeutet Nachwuchs hunderttausende Fotos und zehntausend Filmchen. Papa hat das Bildmaterial, Oma hat die Zeit, es anzuschauen. Aber wie kommt das gewünschte Material in das Internetz von Oma?
Flickr ist zwar geil, aber auf Englisch. Todesurteil! Wusstes Ihr, dass Flickr auf Englisch ist? Wir haben es in zwei Jahren heftiger Benutzung nicht einmal gemerkt – da sieht man mal. Trotzdem eine unüberwindbare Oma-Hürde, denn Englisch stand damals nicht auf dem Stundenplan, schon gar nicht Wörter wie Tag-Cloud oder Gruscheln Slideshow.
Sevenload ist zwar auf deutsch (bis auf den Namen) und stylisch obendrein, aber dennoch ziemlich unübersichtlich und vollgeknallt mit Funktionen.
Und schaut man sich weiter um, so entdeckt man, dass es keine wirklich einfachen Fotosharing-Social-Webdinger gibt. Und mit einfach meine ich wirklich einfach. Keine Tags, keine Kommentare, kein internes Mailsystem, kein Geotagging, keine alberne ¡Hola!-Begrüßung. Einfach nur Bilder hochladen, URL der Oma diktieren und gut ist.
Natürlich gibt es immer die Alternative, die ganzen Bilder von iPhoto in eine HTML-Fotogalerie rendern zu lassen und diese dann per FTP raufzuladen. Dann ist das wirklich supereasy zu betrachten und durchzuklicken. Wenn auch hässlich, aber das ist erstmal wurscht. Aber genau das – von einem Desktop-Client per FTP raufladen – passt so gar nicht in die fluffige Ajax-Welt von Web2.0. Denn statische HTML-Galerien per FTP raufladen konnte man schon 1997 machen.
Dies nur als kleines Beispiel und Denkanstoß: Wenn wir vom Web2.0 als neue Mainstream-Bewegung reden, liegen wir falsch oder sind zu früh. Social Software und Tagging-Bli-Bla-Blubb ist ein Spielzeug für unseren speziellen Dunstkreis und findet für einen Großteil der Menschheit schlicht nicht statt. YouTube ist zu chaotisch und schrottig, auch wenn findige Nerds dort Perlen heben können. Del.icio.us ist was für Hardcore-Surfer und Infojunkies, Bloggen ist eine Disziplin für sendungsbewusste Alpha-Tiere oder verträumte Teenager. All das findet nicht wirklich in der Mitte der Gesellschaft statt. Nennt uns Elite oder Freaks – repräsentativ für die Bevölkerung sind wir sicher nicht.
Aber das macht nichts – denn wer will schon normal sein? Deshalb: Ärmel raufkrempeln und weitermachen, ich muss noch schnell ein paar Trackbacks per XML/RPC im Blog platzieren und über GoogleMap’s Mashup-API podcasten!