Wahlprogramm-Design-CheckUp 2005

Gleich zu Beginn: Diese Betrachtungen sind rein (typo)grafischer Natur. Ich habe die Programme der Parteien noch nicht gelesen, und bin auch unsicher, ob ich es machen werde. Warum, das sehen wir gleich!

Querverweis: Wahlprogramm-Design-CheckUp Europawahl 2004

CDU/CSU

Wahlprogramm Union

Note: 3–

Glücklicherweise haben die beiden Christlichen Parteien ein gemeinsames Programm erarbeitet, auch wenn Stoiber bekanntlich gerade einen fröhlichen Alleingang versucht.

Nach dem halbwegs professionellen, aber uninspirierten Titelblatt warten 40 Fließtextseiten im routinierten Öffentlichkeitsarbeiter-Layout auf den Leser. Unter dem fetzigen ursprünglichen Dateinamen »Microsoft Word – Entwurf Regierungsprogramm verabschiedet.doc« zeigt sich ein 564 KB schweres PDF, gesetzt in der recht hübschen Kievit (die lustigerweise eine gewisse Ähnlichkeit zur SPD-Schrift TheSans nicht verbergen kann), mit engagierten Auszeichnungen, die die Struktur verdeutlichen.

Das ist alles gehobenes Sekretariats-Niveau und generell ordentlich zu lesen, denn der Zeilenabstand im Fließtext ist gut gewählt. Leider neigt der Text zu Aufzählungen, bei denen die einzelnen Punkte über 20 Zeilen lang sind, und hier ist der Zeilenabstand dann viel zu gering. Das Ergebnis sind eine Handvoll recht chaotische Seiten mit zu vielen unterschiedlichen Schriftauszeichnungen, Zeilenabständen und Einrückungen.

Das Glossar am Ende leidet an vielen Stellen unter den fehlenden Führungslinien oder -punkten, die eine bessere Verbindung zwischen Stichwort und Seitenzahl schaffen könnten. Insgesamt ein Parteiprogramm, bei dem man zwar nicht konkret meckern kann, das aber trotzem uninspiriert und emotionslos wirkt.

FDP

Wahlprogramm FPD

Note: 4–

Die FDP kommt gleich mit zwei Versionen ihres Wahlprogrammes daher. Eine kleine Broschüre mit den Kernaussagen und die 12‹‹-Version mit 55 dicht gedruckten DIN-A4-Seiten Fließtext. Die Kurzusammenfassung ist ein netter Service und wurde lobenswerterweise von einer Agentur gestaltet. Da es sich dabei jedoch eher um einen Flyer als um ein echtes Programm handelt, lasse ich das mal außen vor.

Die FDP schreibt als einzige Partei in der alten Rechtschreibung, was ich unerhört und lachhaft finde. Die Titelseite des Wahlprogramms ist in bewährter FDP-Optik gehalten und sieht wie ein Plakat aus: blaue Univers Helvetica condensed auf gelbem Fonds, Riesenlettern und eine professionelle Anmutung. Soweit, so gut. Doch bereits auf der zweiten Seite die große Ernüchterung: Wordwüste in Arial 12 Punkt, Blocksatz, 55 Seiten ohne Auflockerung, Arial bold als einzige Auszeichnung, Überschriften völlig ausgeflippt in Arial bold 14 Punkt, am Ende noch ein Glossar zur Stichwortsuche.

Trockener kann man seine Botschaft beim besten Willen nicht rüberbringen. Westerwelle und Co. hatten wohl Angst, erneut in die Spaßfalle zu tappen und möchten sich beim Aktenliebhaber Stoiber einschmeicheln. Dafür Daumen runter.

Bündnis 90/Die Grünen

Wahlprogramm Gr�ne

Note: 2

Die Grünen machen ihrem Image als Corporate-Design-affine Partei alle Ehre. Das Dokument wurde offensichtlich von einer Agentur gestaltet: Doppelseitenlayout in DIN A5 mit InDesignCS gesetzt. Bei der Wahl der Lauftextschrift war man dann leider etwas unsicher und verlässt sich auf den Helvetica-Klon Swiss, der jedoch immerhin um einiges besser gelungen ist als die missratene Arial.

Das Wahlprogramm der Grünen kommt insgesamt sehr trocken und ohne große Auszeichnungen daher, doch dafür stimmt wenigstens der Rahmen: Es gibt gestürzte, wandernde Kolumnentitel am Außensteg, Seitentitel und auch Seitenzahlen. Grafische Elemente (Linien und Quadrat) gehen hübsch bis an den Anschnitt. Durch das DIN-A5-Format ist die Zeilenlänge angenehm und auch der Zeilenabstand wurde optimal gewählt. Das Programm wirkt seriös, das Layout ist schlicht und durchdacht und kann sich in gedruckter und gebundener Form sicher noch deutlich besser sehen lassen als auf dem Bildschirm.

Dennoch gibt es bei unglaublichen 124 Seiten einen empfindlichen Abzug vom »kurz&knackig«-Konto.

SPD

Wahlprogramm SPD

Note: 2–

Die SPD hat gar kein Wahlprogramm. Sie nennen es Manifest. Und das Manifest startet mit recht guten Voraussetzungen: Äußerst handliches Format (10×15 cm), Doppelseitenlayout mit QuarkXPress (Jaja, immer noch besser als Word) und einer bewährten Hausschrift, die TheSans.

Machen sie was draus? Leider nicht. Das Inhaltsverzeichnis fängt noch recht übersichtlich an, doch bereits auf den ersten Seiten wird klar: Layout leider verhunzt! Der Zeilenabstand ist zu gering und alle Aufzählungen sind komplett in der Bold-Variante der TheSans gesetzt, was bei den sehr langen und zahlreichen Aufzählungen extrem grobschlächtig und übertrieben aussieht. Positiv anzumerken ist der linksbündige Flattersatz und die deutlichen Auszeichnungen von Überschriften und anderen Strukturierungselementen. Vielleicht einen Hauch zu deutlich: Das Manifest besitzt ein zu dick aufgetragenes Layout, das nicht elegant genug daherkommt, obwohl die Grundlagen durchaus vorhanden sind.

Die Linkspartei.PDS

Wahlprogramm Linkspartei

Note: 3–

Gottseidank hat man bei der Gestaltung des Programms der Linkspartei nicht die glorreichen WASG-Grafiker rangelassen, sondern setzt auch die PDS-Optik, die ja eine recht prägnante ist. Das Titelblatt ist äußerst gelungen und besticht durch lebendige, großformatige Typografie in Plakatanmutung.

Die Linkspartei setzt auf das DIN-A5-Format und hat auch Profis mit der Gestaltung beauftragt: InDesignCS kommt zum Einsatz, ebenso die ITC Officina, eine etwas abgenutzte, aber dennoch feine Korrespondenz-Schrift. Leider hört die Typo-Kompetenz bei der Wahl des Zeilenabstandes und der Schriftgröße auf. Viel zu eng, viel zu klein! So macht das keinen Spaß, sich durch die Textwüsten zu quälen. Den Flattersatz in allen Ehren, doch bei dieser enormen Zeilenlänge wäre man mit einem ordentlichen Blocksatz wohl besser bedient gewesen. Die Auszeichnungen und die Struktur des Textes sind gut gewählt, machen deutlich, wo es lang geht, drängen sich auch nicht zu sehr auf. Doch die massive Konzentrierung von unglaublich vielen Buchstaben auf unglaublich kleinem Raum macht leider alle anderen Ansätze kaputt. Kein Wunder, dass man mit lediglich 28 DIN-A5-Seiten auskommt – man kann auch am falschen Ende sparen!

Fazit

Jede Menge Text, keine Bilder und alles sehr behördlich. So kann man das grob zusammenfassen. Löblich ist daran natürlich, dass man sich tatsächlich auf die Inhalte konzentriert und nichts davon ablenken soll. Allerdings wird durch die extremen Textwüsten das Lesen nicht gerade schmackhaft gemacht. Schade eigentlich. Warum kann es nicht eine Zusammenfassung der Programme geben. Vielleicht zehn Seiten mit einem nicht zu dicht gedrängtem Layout? Das wäre doch ein netter Service, denn so kann man auch die Leute erreichen, die nicht die Zeit haben, alles komplett zu lesen.

update: FontShop hat was Generelles über die Parteienfonts.
Und Slanted schreibt über die Plakatgestaltung der SPD

update update: Nick guckt sich die Farben der Parteien an

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