Verwirrende Webfont-Situation – und keine Komplexitätsreduktion in Sicht!

Da guckt man mal ein paar Tage nicht genauer hin, und schon gibt es dreißigtausend neue Dinge zu berichten im Bereich der Webfonts!

Ein bisschen Ähnlichkeit hat die ganze Webfont-Diskussion mit der Frage nach dem zukünftigen Videoformat für das HTML-5-Video-Element: OGG oder H.264 ist fast so ähnlich wie EOT oder OT… Nur dass bei den Schriften die ganze Sache noch ein kleines bisschen komplizierter ist, weil neben den Browserherstellern auch die Schriftverlage und die Schrifthersteller (nicht selten Einzelkämpfer) zusammen diskutieren, was denn nun die beste Lösung wäre, um echte Schriften in die Browser der Menschen zu bringen, ohne dass Qualitäts-Fonts zum kostenlosen Allgemeingut werden. Und weil sich derzeit keine einheitliche Lösung abzeichnet, springen auch noch diverse Webservices wie Typekit in die Bresche und wollen pragmatische Hybridlösungen anbieten.

Wie dröseln wir das Ganze auseinander? Ganz ehrlich? Für eine beurteilende Zusammenfassung ist es noch zu früh. Aber weil gerade die große Schriftkonferenz TypeCon in Atlanta zu Ende gegangen ist, auf der viele der Webfont-Fragen behandelt wurden, lohnt es sich zumindest, ein paar Dinge festzuhalten. Zunächst einmal die Ausgangssituation:

  • Fast alle aktuellen Browserversionen beherrschen im Sommer 2009 das Verlinken und Anzeigen von Schriften. Das sieht bisweilen toll aus!
  • Die eine Gruppe von Browsern (Safari, Firefox, Chrome und Opera) kann mit beliebigen OpenType-Schriften (.otf) umgehen, welche derzeit nicht DRM-behaftet sind. Technisch funktioniert das recht ordentlich, doch nur ein Bruchteil der Schriften bietet eine entsprechende Lizenz an, die das Verlinken auch erlaubt.
  • Der Internet Explorer kann nur mit Embedded-OpenType-Schriften (.eot) umgehen. Dieses Format ist für normalsterbliche Menschen nicht erstellbar, und es wird ihm nachgesagt, ein böses DRM eingebaut zu haben.

So sieht’s aus. Im Folgenden stelle ich eine Liste von Akteuren zusammen, die jeweils unterschiedliche Dinge tun oder getan haben, um die ganze Webfonts-Geschichte voranzubringen:

  • Microsoft setzt sich zum wiederholten Male dafür ein, dass das EOT-Format trotz der DRM-Vorwürfe beim W3C als Webstandard anerkannt wird.
  • Schriftschmiede Ascender versucht es mit einer entschärften Abwandlung des EOT-Formates, nennt das Ganze EOT lite, und ändert schon mal die Lizenzbestimmungen für alle angebotenen Schriften. EOT lite soll im IE problemlos funktionieren, müsste aber erst von den anderen Browsern in Zukunft implementiert werden.
  • Erik van Blokland (Typonerd von LettError) und Tal Leming schlagen als neuen Standard vor, die reine OT-Dateien mit einer danebenliegenden Metadaten-XML-Datei zu einer .webfont Datei zusammenzuzippen. Diese Idee finden viele gut.
  • Etwas ähnliches schlägt David Berlow vom Font Bureau vor, nur dass die Metadaten in der OT-Datei als »Permission Table« integriert sein sollen.
  • Mit Typekit, Kernest, Typotheque und FontDeck gibt es nun schon vier verschiedene Webservices in den Startlöchern, die als technischer und juristischer Mittelsmann zwischen Schrifthersteller und Webdesigner fungieren wollen. Schriften für bestimmte Domains lizensieren und in das Schriftformat konvertieren lassen, das dem aktuell verwendeten Browser am besten schmeckt – so ungefähr soll das funktionieren. Kernest kann man schon jetzt mit einigen Freefonts technisch ausprobieren.

Ob nun OT, EOT, EOT lite, .webfont oder Permission Tables – eines scheint klar: Die Zeit der Krückenlösungen von sIFR bis Cufón scheint in Kürze vorbei zu sein. Wie am Ende alles ausgeht, vermag wohl niemand zu beurteilen. Selbst Schriftgestalter Ralf Hermann ist im Wesentlichen mit akribischem Dokumentieren der ganzen Entwicklungen beschäftigt und mag (oder kann) bislang keine konkrete Meinung dazu äußern. Oder vielleicht doch, Ralf? Mich würde interessieren, was du für die sinnvollste Lösung hältst?