Unsortierte Gedanken zu Windows 8

Als Betriebssystem-Hersteller mit Anspruch auf den Gesamtweltmarkt kommt heute nicht mehr drum herum, mindestens drei unterschiedliche Oberflächen zu bauen: eine für Touch-Smartphones, eine für größere Touchscreens (vor allem Tablets), und eine für traditionelle Non-Touch-Screens mit Tastatur/Maus-Bedienung.

Apple hat aus den Dreien zwei gemacht, und vollzieht eine klare Trennung: iOS für Touchgeräte (mit geringfügigen Zugeständnissen an die jeweilige Bildschirmgröße von Phone und Tablet), und das sehr unterschiedliche OS X für den klassischen Mac. Dass sich einige iOS-Elemente so langsam wieder in OS X einschleichen, übersehe ich hier mal. Finde ich nämlich pupsdoof!

Microsoft träumt hingegen noch ein wenig konsequenter von der kompletten Vereinheitlichung der drei Plattformen, und portiert seinen Metro-Look, den man von Windows Phone 7 kennt, auf Tablets und klassische PC. Und man merkt es den Demos und der aktuellen Beta deutlich an: Metro ist als Default-Zustand gedacht, während der klassische Desktop inzwischen das ungeliebte Stiefkind zu sein scheint (»… gibt es auch noch …«).

Das ging flott!

Vor allem, weil gerade Windows ja als das Betriebssystem bekannt war, in dem alles sehr kleinteilig und detalliert zu konfigurieren ist, und das eher mit Rückwärtskompatibiliät und Featuritis zu bestechen versuchte. Gerade hier jetzt eine komplette Kehrtwendung zur extremen Einfachheit und großzügigen, flächigen Gestaltung! Auf jeden Fall mutig, und zumindest theoretisch ein logischer Schritt.

Es ist das Zugeständnis, dass noch mehr kleine Icons in noch mehr Symbolleisten und Settings-Popus nicht die Richtung darstellen, in die der Massenmarkt unterwegs ist. Ganz blöd sind sie ja nicht: Auch Microsoft weiß, dass nur wenige Prozent der Funktionen in Word von den meisten Nutzern verwendet werden. Und sie haben auch begriffen, dass die allermeisten User nicht viel mit dem Rechner anstellen außer Web, E-Mail, Games und Fotos. Letztlich zeigt der galaktische Erfolg des iPads endgültig, dass verminderte Komplexität eventuell eher zum Erfolg führt als noch stärkere Konfigurierbarkeit.

Wenn ich mir die Demo-Videos so anschaue, könnte der klassische Desktopmodus in Windows 8 einen ähnlichen Stellenwert bekommen wie aktuell das Terminal unter UNIX-ähnlichen OSen: Ein paar Prozent der Profis und engagierten Amateure werden das nutzen (und auch zum Überleben brauchen). Aber die 90% der Privatanwender werden Metro vielleicht nie verlassen. (Und auf Tablets mit ARM-Chipsatz wird es ausschließlich Metro geben, habe ich gehört. Stimmt doch, oder?)

Ich habe mich immer gefragt, ob man Word und Excel in vollem Umfang überhaupt konzeptionell in Metro bauen könnte. Und wieviel dann noch vom Metro-Look übrigbleibt. Vielleicht plant Microsoft das aber auch gar nicht, sondern bietet Light-Versionen von Office-Programmen in Metro-Technologie (sprich: Webstandards) an, die (natürlich voll kompatibel zum .docx-Format) nur die 10% der Funktionen bieten, die man wirklich braucht. Google Docs soll ja auch ganz gut auf Webbasis funktionieren …

Microsoft setzt also alles auf die Metro-Karte und damit auf die Reduzierung von Komplexität. Doch wie weit kommt man mit Metro, und wie fühlt es sich an? Genügt es tatsächlich den Ansprüchen an ein Windows-OS, und werden die Leute auf einmal anfangen, die ganzen Touch-Gesten und Maus-Gesten zu lernen? Jetzt wo gerade ein Gros der Bevölkerung (und eben auch Oma und Opa!) gelernt hat, wie das mit den Icons und dem Doppelklick funktioniert? Eine solche Agilität und Radikalität hätte man eigentlich kaum von Microsoft erwartet und macht die Firma deutlich sympathischer.

Eine Sache, die mir aber doch komisch vorkommt, ist das etwas unscharf zu beschreibende Fisher-Price-Gefühl, wenn ich mit dem kleinen Mauszeiger auf diese riesigen Tiles klicke, dann die großzügigst gesetzten Menüpunkte anklicke und so weiter. Man ist von Windows die Kleinteiligkeit und Präzision so gewohnt (bzw. war stolz darauf, soviel Infos auf einem Blick im Griff zu haben), dass es jetzt schon fast archaisch wirkt, nur diese gigantischen Bauklötzchen grobmotorisch klicken zu müssen. Und dass das Scrollrad im Startscreen zum horizontalen Scrollen verwendet wird – naja. Ich hoffe mal nicht, dass das jetzt zu einem neuen Trend im Webdesign wird. Der Horizontalscroller ist nicht gerade das, was ich tagein, tagaus befürworte.

Fazit: Ich find’s toll, dass experimentiert wird und werde das mit Interesse und wenig Häme in Zukunft beobachten und probieren. Was denkt Ihr zu diesem Thema? Wollt ihr den klassischen Desktop wieder mehr im Fokus, oder habt Ihr Bock auf was radikal neues und werdet versuchen, möglichst viel in Metro zu machen?