Subjektiver CMS-Einkaufsführer
27. September 2008
Wenigstens bin ich nicht der einzige! Und neu ist meine Problematik auch nicht: Bereits Anfang 2004 war der große Dave Shea auf der Suche nach einem geeigneten CMS, das seine (wirklich nicht besonders exotischen) Forderungen erfüllt. So ähnlich fühle ich mich auch gerade, jedoch fast 5 Jahre später. Und wie es scheint, hat sich gar nicht soviel verändert :-)
Ich möchte mich in mittelfristiger Zukunft in ein CMS einarbeiten, mit dem ich typische, größtenteils statische, mittelgroße Websites für Kunden umsetzen kann. Folgende Anforderungen wären mir wichtig:
- PHP/MySQL-basiert: Machen wir uns nichts vor: Perl, Python oder Ruby on Rails bekommt man nur schwer gehostet und Experten sind rar und teuer. PHP hingegen kann jeder – und falls der Kunde mich mal nicht mehr mag, kommt er leichter an einen Nachfolger.
- Frontend-/Backend-Aufteilung: Eine klare Trennung der beiden Bereiche ist am einfachsten zu Begreifen.
- Seiten- bzw. hierarchiebasiertes Grundprinzip: Die meisten Websites sind nun mal keine coolen dynamischen Blogs oder Foren, sondern langweilige statische Seitenbäume. Ist letztlich für den Kunden am einfachsten zu begreifen.
- Aktives Open-Source-Projekt: Eine Community für Fragen wäre klasse. Und dass man nicht abhängig von einer kommerziellen Firma ist. Und wegen des Karmas. Und wegen Geld.
- Übersichtliches und schnelles Backend: Idealerweise sollte das CMS nicht versuchen, die GUI von Windows oder Linux nachzuahmen (was erstaunlich viele Systeme leider tun).
Wenn man solche Fragen stellt, ist jeder meiner Leser und Follower auf einmal Bundestrainer CMS-Experte und will sein favorisiertes System anpreisen. Doch bitte: Ich habe mir natürlich schon einiges angesehen und es kommt einfach das meiste derzeit nicht in Frage! Ich gehe mal ein paar durch:
- TYPO3 ist zu mächtig und zu kompliziert. Ich bin kein Drachentöter
- WordPress kommt meinem Ideal prinzipiell schon nahe, doch ist mir das System einfach zu heikel: Aus Sicherheitsgründen, wegen der miesen Performance, und wegen dem Hände-schmutzig-machen, das stets doch immer dazugehört, wenn man individuelle Dinge mit der Installation anstellen will.
- Joomla hat bei der Vorstellung auf dem Multimediatreff einen etwas seltsamen Eindruck hinterlassen – das Templatesystem erschien mir umständlich, und auch sonst hat sich das nicht so gut angefühlt. Und es ist halt auch wieder nix seitenbasiertes …
- Drupal kenne ich inzwischen recht gut. Es liegt jedoch etwas außerhalb meiner Kompetenz. Der super-universelle Ansatz von Drupal verlangt vom Entwickler, noch eine Menge Arbeit reinzustecken, um daraus ein nutzerfreundliches und übersichtliches System zu machen. Ein spezielles Admin-Theme (und vielleicht gar ein vorkonfigurierter Fork) für seitenbasierte Auftritte wäre hilfreich – Garland ist zu generisch und platzraubend. Insgesamt ein cooles System, was ich auch weiterhin (mit Hilfe meines Kollegen) nutzen möchte, aber eben nicht so sehr für klassische statische Websites.
- Sefrengo macht auf mich einen eher bäuerlichen Eindruck. Die Website bietet kaum Infos, das ganze wirkt nicht lebendig und mir persönlich auch nicht smart genug.
- Redaxo wirkt sehr kühl, kommerziell und lieblos auf mich. Die Website bietet nur sehr wenig, sehr schlecht aufbereitete Infos über das System, und gerade mal zwei bemerkenswert hässliche Screenshots. Dafür jede Menge bescheuerte Stockfotos. Macht überhaupt keine Lust, dies auszuprobieren.
- ExpressionEngine hängt derzeit zwischen zwei Versionen – der große Sprung auf die 2 ist noch nicht vollzogen. EE ist außerdem offenbar nicht hierarchie-basiert, wie ich dachte, kostet meines Erachtens etwas zuviel Kohle und konnte mich bei einem kurzen Testlauf der Core-Variante nicht begeistern.
- MODx ist ein sehr heißer Kandidat: Super-Philosophie, auf der Website gut dargestellt. Derzeit sehe ich nur zwei Probleme: Zum einen wird gerade an einem kompletten Rewrite des Systems gearbeitet, der jedoch noch einige Wochen oder Monate dauern wird, bevor er produktiv eingesetzt werden kann. Da sich neben vielen anderen Dingen auch die Template-Syntax ändern wird, weiß ich nun nicht so recht, ob ich die alte Version noch lernen möchte, oder lieber auf eine stabile Version 2 warten sollte. Was mir auch nicht gefällt: Die Windows-ähnliche Backend-Oberfläche – zu kleinteilig. Generell gefällt mir aber die Tatsache sehr, dass ich einerseits eine Baumstruktur als Grundlage nehmen kann, gleichzeitig aber in den Templates ganz ähnlich wie in Textpattern verfahren kann: Mit Seitentemplates, scriptfähigen Codesnippets und statischen Chuncks.
- TypoLight Der derzeit vielleicht noch eine Spur heißere Kandidat! Klasse Website, schicke Screencasts, man fühlt sich sehr gut aufgehoben in der Community. Wehrmutstropfen: Das Backend erinnert schon sehr an TYPO3 (Welch Wunder!). Natürlich ist das viel einfacher und besser in der Handhabung, aber es ist eine vollkommene Kehrtwende zu dem, was ich bisher so gemacht habe. MODx ist da näher dran, aber TypoLight wäre halt genau jetzt einsatzbereit, und es gibt sogar ein deutschsprachiges Handbuch vom deutschen Hauptentwickler.
Ich weiß, dass ich einigen Systemen nicht gerecht geworden bin. Aber ich kann mir nicht 15 Dinger installieren und jeweils mehrere Stunden darin herumspielen. Von daher muss ich mich wahrscheinlich auf mein Gefühl verlassen, und das schwankt derzeit zwischen MODx und TypoLight. Weil die CMS-Wahl auch Bauchsache ist.
Unabhängig davon habe ich zwei relativ neue, wirklich coole Systeme gesehen, die noch in der Anfangsphase stehen und sich auf extreme Einfachheit besonnen haben. Sie kommen vorerst nicht in Frage, weil sie zu neu und zu wenig bewährt sind, aber sie machen Lust auf mehr:
- Chyrp ist super-charmant und kann verschachtelte, statische Seiten. Aber auch nicht viel mehr :-)
- Wildflower basiert auf CakePHP (cool!) und bietet eine Mac-OS-X-inspirierte Oberfläche, auch sehr reduziert.
update am 12. Juli 2009: Da ich nun von vielen Seiten immer wieder gefragt werde, für welches System ich mich denn nun entschieden habe: Es ist MODx geworden! Zurzeit setze ich mein erstes Projekt mit Version 0.9.6.3 auf, und es ist eine wahre Freude, wie exakt MODx meine Anforderungen an ein alltagstaugliches CMS erfüllt. Alles, was mir in Textpattern fehlt, ist hier vorhanden (Seitenbaum, Medienverwaltung), und auch die Schwachstellen von WordPress gibt es hier nicht (schlank, schnell und sauber umgesetzt!). Ich empfehle allen, sich das mal in Ruhe anzugucken, es lohnt sich!