Safari-Webfonts in der Diskussion

Mächtigen Wirbel gibt es derzeit um die aktuelle Safari-Version! Eine der interessantesten Neuerungen ist die konsequente Umsetzung der @font-face-Eigenschaft, die seit vielen Jahren in den CSS-Spezifikationen schlummert, aber nun erstmals mit den wichtigsten Font-Dateiformaten TrueType, PostScript, und OpenType funktioniert. Eifrige praegnanz.de-Leser kennen das natürlich schon seit über einem halben Jahr ;-)

Die Reaktion in der Schriftprofi-Szene ist nun geteilt. Ralf Herrmann ist recht begeistert und veröffentlicht sogar eine Pressemitteilung zum Thema. Was jedoch Apple PR-technisch aus der Sache macht, lässt viele andere erschaudern, wird doch auf der apple.com-Safari-Seite quasi offen zur Fontpiraterie aufgerufen.

Ich selber habe zu diesem Thema keine wirklich festgezurrte Meinung, möchte aber dennoch einen Aspekt und einen Vorschlag in die Diskussion einbringen.

Mein Aspekt bezieht sich auf die Beobachtung, dass viele Design-Quereinsteiger und die meisten Webdesigner (fast alles Quereinsteiger …) nur sehr wenig Gespür für die Qualität von professionellen Fonts haben, und von daher gar nicht auf die Idee kämen, überhaupt für Schriften Geld auszugeben. Ich habe mit meinen populären Schrift-Portraits versucht, hier ein bisschen Aufklärungsarbeit zu leisten, denn obwohl die vorgestellten Schriften kostenlos waren, habe ich stets darauf hingewiesen, dass es sich hierbei entweder um sehr seltene Ausnahmen gehandelt hat, oder dass wichtige Qualitätsmerkmale fehlen, die den Bezahlschriften vorenthalten vorbehalten sind. Es ging unter anderem darum, den Leuten zu zeigen, was der Unterschied zwischen Ramschfonts und professionellen Schriften ist.

Mit der Webfonts-Technologie haben wir nun abermals die Möglichkeit, Werbung für großartige Schriften zu machen, indem wir zeigen, wie toll sie auch auf Websites aussehen können. Doch dafür müssen wir die Fonts verschenken, oder nicht? Ja, schon klar. Aber man kann sich doch auch folgendes Modell vorstellen:

Die FF Fago beispielsweise: Sie besteht aus einer Unmenge von einzelnen Schnitten, man kann sie gar nicht alle aufzählen. Wie toll wäre es, wenn man einen der Schnitte für die Webfonts-Technik freigeben würde, eventuell mit der Verpflichtung zur Namensnennung? Wenn jedes Schrifthaus sich dazu aufraffen könnte, einige seiner Klassiker mit einzelnen Schnitten freizugeben, könnte folgendes passieren:

  • Leute, die prinzipiell für nichts Geld zahlen, würden das auch nicht für diese Fonts tun.
  • Professionellen Printdesignern wäre ein einzelner Schnitt einer Schrift sowieso zu wenig.

Aber:

  • Die freigegebenen Fonts würden ins Gespräch kommen.
  • Das typografische Qualitätsgespür der Webdesigner würde geschärft.
  • Leute, die nun die Qualität der Fonts erst entdecken und deren Namen wissen, überlegen sich einen Kauf, auch um die anderen Schnitte nutzen zu können.

Und versuchen wir es noch einmal andersherum mit ein paar Thesen:

  • Webdesigner sind meines Erachtens nie ein besonders großer Markt für die Schrifthäuser gewesen.
  • Schriften hatten noch nie ein DRM und konnten schon immer über Tauschbörsen illegal verbreitet werden.
  • Komischerweise hat man in Tauschbörsen dennoch niemals im großen Stil professionelle Schriften finden können, weil man in Designerkreisen meist recht verantwortungsbewusst mit geistigem Eigentum umgeht.
  • Illegale Schriftverbreitung geschieht in erster Linie über das Brennen von CDs und DVDs in Agenturen oder Hochschulen, das ist nicht von der Hand zu weisen.
  • Nun kann man theoretisch über Website-Embedding Schriften illegal verbreiten, was aber für den »Anbieter« deutlich riskanter ist, weil er eindeutig zurückverfolgbar ist.
  • Demnach: Die Webfont-Technik wird einen recht geringen Einfluss auf die Anzahl der im Umlauf befindlichen illegalen Schriftkopien haben.

Ich denke zusammenfassend, dass die Webfonts eine größere Chance für die Schrifthersteller darstellen (Bewusstseinsschärfung und Markenpflege), als dass sie ein echtes Risiko darstellen.

update: Ralf Herrmann macht zum Thema eine kleine Umfrage unter Webdesignern