Meine Offline-Lektüre
1. März 2007
Im Urlaub hat man ja ’ne Menge Zeit – zumal, wenn man aus Geldmangel nicht viele Insel-Touren machen kann. Von daher hier nun eine Liste meiner Urlaubs-Lektüre mit Kommentaren:
William Gibson: Idoru
In diesem zweiten Teil der »Rydell«-Trilogie (Virtuelles Licht – Idoru – Futurematic) wird einiges beschrieben, was zurzeit in Second Life passiert. Erstaunlich, wie sehr das 1996 verfasste Werk mit dem übereinstimmt, was im Jahr 2007 in SL so passiert! Dazu gibt’s ein bisschen Nanotechnik, ganz viel Tokio, künstliche Intelligenz und – ganz wichtig – Informationsrecherche und -filterung auf halb-transzendener Meta-Ebene. Natürlich im genialen Gibson-Stil (einsilbige Dialoge, abgefahrene Szenarien, keinerlei An-die-Hand-Nehmen) allerdings diesmal glücklicherweise nur zwei parallele Handlungsstränge. Geiles Buch, habe es zum dritten Mal gelesen …
Spiegel Special: Die Erfindung der Deutschen
Ein Experimentalkauf: Sollte ich in der Lage sein, geschichtliche Texte aufmerksam zu lesen, obwohl ich das in der Schule nicht so wahnsinnig gern gemacht habe? Prinzipiell fand ich das Thema sehr spannend, denn so richtig genau weiß doch keiner, wie unser heutiger Nationalstaat entstanden ist. Nach der Lektüre des halben Heftes (danach habe ich aufgegeben), wusste ich es für eine gewisse Zeit, doch das erarbeitete Wissen ging den Weg, den alles Wissen geht, wenn das echte und ehrliche Interesse nicht da ist: Es verflüchtigt sich. Ich weiß nicht viel mehr als wie zuvor, obwohl das Spiegel Special wirklich nicht übel aufbereitet ist. Besser als unsere Schulbücher damals ganz sicher.
DER SPIEGEL
Natürlich die Second-Life-Ausgabe von vorletzer Woche. Wobei mir der Artikel über Second Life eher überflüssig erscheint – zuviel philosophische Deutungsversuche, zu wenig konkrete Erklärung. Erzählt doch mal lieber darüber, wie erfahrene User SL nutzen und worin für sie der Reiz liegt, anstatt ständig irgendwelche unbeholfenen Selbstversuche mitzuprotokollieren. Wenigstens bleibt der empörte Aufschrei aus, dass man – o Gott! – echtes Geld für virtuelle Gegenstände ausgibt.
Abgesehen davon ist der Spiegel halt der Spiegel – sechs oder sieben interessante Artikel sind immer drin, aber der ständig gleiche Schreibstil geht einem nach einigen Jahren schon auf den Senkel. Kleines Highlight: Der zweite Teil der Energieserie. Überschrift: »Erntedank im Autotank« – pfiffig!
brand eins
Klischee hin oder her: Wenn schon meine Freundin – an typografischen Dingen nicht überdurchschnittlich interessiert – spontan und unaufgefordert die gute Lesbarkeit des Magazins lobt, muss an den vielen Designpreisen was dran sein, die die brand eins im Laufe der Jahre abgeräumt hat.
Irgendwie schwanke ich immer, ob die brand eins einfach nur unvoreingenommen und optimistisch an die Dinge rangeht, oder ob sie in einem Paralleluniversum lebt. Auf jeden Fall bekommt man einen völlig anderen Eindruck von der Lage der Dinge als in jeder anderen Publikation. Und man liest es einfach gerne, weil es Balsam für die Seele ist: Alte Zöpfe abschneiden, Anpacken, die Dinge in die Hand nehmen! Leuten zuhören, die einen motivieren und aufpushen. Und dabei ab und an auch noch lachen können. Toll. Nur hoffe ich nur noch, dass das mit dem Paralleluniversum nicht stimmt …
DIE ZEIT
Eigentlich würde ich viel lieber und viel öfter die ZEIT lesen als den SPIEGEL. Sie ist abwechslungsreicher, offener, interessanter und lehrreicher. Leider ist die ZEIT faktisch unlesbar. Woran liegt’s? Natürlich am Format, es macht alles kaputt! Ich kann und werde es nie verstehen, wie manche Menschen damit zurechtkommen können. Es ist einzig und allein historisch bedingt und im Jahre 2007 eigentlich nur noch ein Ärgernis. Ich fordere, dass ab so fort alle wöchentlich erscheinenden Zeitungen auf geheftete DIN-A4-Formate umsteigen. Danke.
Sobald die ZEIT in DIN A4 erscheint, kaufe ich mir keinen gedruckten SPIEGEL mehr. Deal?
Albert Sanchez Pinol: Im Rausch der Stille
Ein insgesamt enttäuschender Roman mit sinnloser Gewalt, diversen Perversitäten und nervigen Psycho-Schilderungen. Es fängt ganz spannend und viel versprechend an, aber ab der Hälfte nervt es nur noch und man stumpft als Leser parallel zur Hauptfigur ab. Ich wollte dann nur noch fertig werden, das Ende war mir letztlich gleichgültig. Nicht zu empfehlen. »Einfühlsam« oder »gefühlvoll« ist daran gar nichts, auch wenn die professionellen Kritiker das so sehen mögen.
Sugar
Was liest man nicht alles, wenn’s im Flieger langweilig wird? Die Sugar stellt sehr professionell das iPhone vor und bringt drei Fehler auf 15 Zeilen:
- Das iPhone habe keine Kamera
- Das iPhone kostete 400 Euro
- das iPhone komme ab April
Oder gelten journalistische Grundregeln nicht für Mädchenzeitschriften?