Luft nach oben: Crowdfunding mit Startnext
5. Juni 2012
update 7.6.2012: startnext bezieht Stellung zu meiner Kritik
Zunächst einmal möchte ich betonen, dass ich grundsätzlich große Sympathien hege für die Plattform startnext, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, das Crowdfunding-Konzept von Kickstarter eben nicht komplett 1:1 nach Deutschland zu holen, sondern etwas eigenes draus zu machen. (Das Kopieren überlassen sie lieber den Konkurrenten von pling)
Startnext stellt die Gemeinnützigkeit in den Vordergrund und betont immer wieder die Kulturförderung und einen gewissen Weltverbesserungsanspruch. Das finde ich grundsätzlich gut so. Und ich habe ja auch mein Buchprojekt vor einigen Tagen erfolgreich abgeschlossen. Das Geld ist unterwegs, und ich kann sehr bald richtig loslegen!
In den Details gibt es jedoch viele ärgerliche Details zu berichten, an denen nachgebessert werden müsste, bzw. in der Zwischenzeit sogar schon nachgebessert wurde. Ich setze das mal als praktische To-Do-Liste für das Startnext-Team um:
- Unsäglicher automatischer und verzögerter Facebook-Login und eine störende »Mein Konto«-Leiste am unteren Bildschrimrrand. Dies wurde glücklicherweise inzwischen entfernt. Danke.
- Seltsame UTF-8-Zeichen wie der lange Gedankenstrich – bringen die Eingabemaske für die Dankeschöns ganz schön ins Schleudern. Und da man den Text für ein Dankeschön absolut nicht mehr korrigieren darf, sobald das Funding läuft, kann das schon sehr doof aussehen.
- Bei der Einrichtung der Funding-Seite konnte ich aufgrund eines dämlichen jQuery-Aufklapp-Fehlers eine der vorgesehenen Interview-Fragen nicht beantworten. Mag sein, dass das inzwischen auch behoben ist.
- Wenn man sich als Unterstützer neu für ein Projekt einträgt, kann man freiwillig zusätzlich einen gewissen Betrag für die Startnext-Plattform spenden. Das ist legitim. Nicht legitim ist aber, dass der Schieberegler sich seine eingestellte Position nicht merkt, und bei jedem Anmeldeschritt wieder auf seinen Standardwert (> 0) zurückspringt. Scheint inzwischen auch behoben zu sein.
- Völlig daneben und grob irreführend ist der aktuelle Status der gefundeten Summe. Wenn hier steht: 744 € (+ 30 €), dann könnte man meinen, es handelt sich um weitere 30 Euro, die per Überweisung gespendet werden, aber noch nicht auf dem Treuhhandkonto angekommen sind. Sobald das Geld dort registriert ist, verschwinden die 30 Euro als gesonderter Posten und werden in die 744 € dazugerechnet. So ist es aber nicht. Statt dessen sind die 30 Euro tatsächlich in den 744 € enthalten, stehen aber zusätzlich noch nebendran! Das ist grob irreführend und gaukelt einen wesentlich höheren Status vor, als tatsächlich vorhanden! Hier muss dringend nachgebessert werden!
- Mit gleichzeitig erworbenen Dankeschöns kommt das System nicht klar. Mein letztes finales Dankeschön zum Vollmachen der Fundingsumme gab es nur exakt einmal zu kaufen. Es ist trotzdem zweimal verkauft worden. Hier muss eine Sperre rein. Leute! Anfängerfehler!
- Bevor man an die Adressdaten der Unterstützer herankommt, wird man gezwungen(!), eine finale Dankeschön-Nachricht zu senden. Dies geht nur über das eingebaute Tool auf der Website. Das Abschicken passiert per Ajax-Button, allerdings ohne visuelles Feedback. Der Versand dauert aber gerne ein paar Sekunden. Logisch, dass man dann mehrere Male auf den Button drückt. Deshalb haben meine Unterstützer heute jeweils drei Dankemails bekommen. Sowas sind Anfängerfehler. Darf nicht passieren: Versand nach einmaligem Drücken des Buttons sofort blockieren, und auf jeden Fall ein visuelles Feedback anbieten, dass da was passiert!
- In der FAQ fehlen ein paar Absätze zum Thema Mehrwertsteuer, Rechnungstellung usw. Hier wäre ein bisschen Klarheit nett, was zu tun ist als freiberufliches oder gewerbliches Unternehmen, wenn man das alles korrekt versteuern möchte!
- Die Sache mit dem Fidor-Treuhhandkonto kann man niemandem schmackhaft machen. Als Unterstützer bin ich sogar gezwungen, ein Konto bei dieser Bank zu eröffnen (komplett mit PostIdent und Kontonummer und mobiler TAN), und man fragt sich wirklich, ob das alles nicht zuviel Overkill ist!
Fazit: Insgesamt fühlt man sich als Projektanbieter ein wenig gegängelt. Beim Einstellen des Projektes wird man quasi gezwungen (oder sanft gedrängt), bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, wie zum Beispiel ein Video zu produzieren oder eine Art Business-Plan zu erstellen, bei dem man unter anderem angeben soll, an welchen Orten und zu welchen Terminen man seine Crowdfunding-Sammelparties veranzustalten gedenkt, und wieviele Blogleser und Follower man hat, und was denn nun der genaue Plan ist, das Geld aufzutreiben. Man fühlt sich auf einmal wie ein potenzieller Betrüger, der gar nicht das moralische Recht hat, hier Geld zu sammeln, wenn man die meisten Felder des Business-Plan-Fragebogens leer lässt. Auch die sogenannte Startphase, in der man erst einmal pro 100 Euro Fundingsumme einen »Fan« sammeln muss, bevor das Projekt überhaupt mit realen Zahlungen in Berührung kommt, macht die Sache kompliziert.
Mir ist schon klar, woran das alles liegt: Startnext will Schrottprojekte sehr streng ausfiltern, um den hohen manuellen Aufwand, den derzeit jedes Projekt beim Team verursacht, zu reduzieren. Spaßprojekte ohne echte Erfolgsaussichten möchte sich die Plattform nicht leisten, zumal eine Reservierung des Geldes offenbar nicht möglich ist; Entweder aus rechtlichen Gründen, oder weil sowohl Kreditkarten als auch PayPal in Deutschland mit großem Argwohn betrachtet werden. Wer bei Startnext Geld gibt, zahlt es sofort real auf das seltsam unseriös wirkende Fidor-Treuhhandkonto. Klappt eine Aktion nicht, wird das Geld real zurückgezahlt. So habe ich es verstanden. Und die »Fan«-Geschichte ist ein drübergestülptes Social Network, das dem Startnext-Team über einen Schwarm-Empfehlungsmechanismus die Arbeit der manuellen Filterung abnehmen soll.
Nur: Eine Crowdfunding-Plattform ist kein Social Network. Man hängt nicht gewohnheitsmäßig mit seinen Freunden auf Startnext ab, um neue coole Projekte kennenzulernen, zu bewerten und mit Geld zu bewerfen. Macht man nicht. Es ist eine technische Infrastruktur und sollte sich nicht zuviel versprechen von der »Community«. Ja, wir haben uns alle lieb, ganz toll. Aber machen wir uns nichts vor, es geht ums Geld einsammeln. Eventuell ist auch die Organisationsform schuld: Startnext muss als gemeinnützige UG wahrscheinlich so einen sozialen Ansatz fahren und darf nicht allzu kapitalistisch und Cash-orientiert daherkommen. Gleichzeitig ist das Wort »Spenden« verpönt und darf offiziell nicht verwendet werden – auch eine rechtliche Einschränkung? Schwierig.
Ganz schön viel Gemeckere. Aber ich glaube, dass das hier größtenteils konstruktive Kritik darstellt, die dem Startnext-Team helfen kann, die Plattform besser zu machen. Es gibt auf jeden Fall noch genug zu tun, von der Usability angefangen, bis hin zu tiefer sitzenden konzeptionellen Umstürzen. Ich behalte das im Auge!