Ist Baden-Baden eine Reise wert?

Wer umzieht, die alte Wohnung an den Nachmieter bringen, ausräumen, streichen, putzen und übergeben muss, eine neue Küche planen, bestellen und zusammenbauen und andere 1000 Dinge erledigen muss, hat wenig Zeit zum Bloggen. Von daher lasse ich jetzt mal wieder bloggen, und zwar von meinen alten Freund Dominik, der da ja schon Übung drin hat.

Also nochmal: Ist Baden-Baden eine Reise wert?

So nun, nachdem ich hier im Badischen schön eine ganze Weile lebe, ist heute die »Hauptstadt« dran: Baden-Baden.

Baden-Baden ist die Stadt der Schönen und Reichen. Mit Casino, Festspielhaus, teuren Boutiquen, Pferderennen und dem 5-Sterne-Hotel »Bühlerhöhe«.

Das erste, was einen erwartet, sind ehemalige Militärwohnblöcke, schön in gleichem Abstand zueinander, gleiche, hässliche Blöcke. Nachdem hier wohl die französischen Truppen schon vor längerem ausgezogen sind, blieben diese Gebäude übrig. Heute scheinen dort Studenten und sozialschwache Mitbürger zu hausen. Von jedem Balkon blickt eine Satellitenschüssel gen Himmel empor. Manchmal auch zwei.

Mir fällt auf, dass hier eigentlich kaum Autos mit Kennzeichen BAD unterwegs sind, eigentlich nur »Fremde«, naja Touristen, wie ich. Okay, erstmal ein bisschen durch die Stadt laufen (fahren) und die bestimmt noch kommende Stadt bewundern, ist meine Devise. Aber wo ist die? Überall stehen nur renovierungsbedürftige 70er-Jahre-Bauten. Hier und da mal eine schön renovierte Villa, aber 90% der Häuser sind in den 70er Jahren schnell hochgezogen worden, und seitdem wurde kein Geld mehr in den Erhalt gesteckt.

Was mir bei der Parkplatzsuche auffällt, ist, dass es hier in Baden-Baden geschätzte 10.000 Halteverbotsschilder gibt. Absolute und eingeschränkte. Oder aber »Privatweg« und »Privatstrasse«. Es ist aussichtslos, also rein in ein Parkhaus. An der Schranke angekommen, bin ich doch etwas erzürnt: 4,00 Euro für eine Stunde Parken, ne, ich weiß nicht. Sind die Leute hier nicht nur reich, sondern auch debbert? Also weitersuchen.

Huch, was war das denn für ein Haus? Hier steht es: »Casino«. Bitte – das soll das weltberühmte Casino sein, von dem Marlene Dietrich behauptet hat, es wäre das schönste der Welt? Ne, die muss ordentlich was getrunken haben, um das zu behaupten. Es ist ein unscheinbarer, leicht renovierungsbedürftiger Bau direkt an der Hauptverkehrsstrasse. Von der Homepage habe ich anderes erwartet. Das Festspielhaus ist hingegen ordentlich positioniert und fein herausgeputzt. Aber ich suche ja noch einen Parkplatz.

An einer Ampel versuche ich schnell, die CD im Autoradio zu wechseln. Die Ampel springt auf grün, ich gebe etwas unsensibel Gas und meine Reifen drehen ungewollt leicht durch. Plötzlich drehen sich alle Passanten um. Ich dachte ich hätte eine Bombe gezündet, so überrascht und entzürnt schauen sie mich an. Naja soll’n die doch, denke ich mir. Also nächste rechts. Ha, da kann ich mal kurz halten und die am Boden verteilten CDs wieder einfangen und ordnen. Keine 30 Sekunden später kommt ein junges Ehepaar vorbei. Er spricht mich an und klärt mich ungewollt darüber auf, dass dies hier ein Anwohnerparkstreifen wäre. Ich sage: »Jaja, ist in Ordnung.« Er darauf, ja haben Sie denn einen Ausweis. Ich: »Nein, aber man wird doch mal kurz halten dürfen um eine CD, die unter den Sitz gerutscht, ist zu suchen«. Er: »Naja, das kostet 25 Euro, wenn ich die Polizei rufe«. Ich denk mir, der ist kein Zivilpolizist und lege es drauf an. Ich mache meinen Geldbeutel auf, nehme einen 50-Euro-Schein heraus und sage: »So hier ist ihr Geld und jetzt schaun se zu, dass se Land gewinnen«. Er lächelt und nimmt das Geld nicht. Er steckt seine Hände wieder in seinen 500-Euro-Bugatti-Wintermantel und geht mit Freundin Hand in Hand weiter. Hmm, wer hat jetzt gewonnen – er oder ich? Egal. Nur ich muss sagen, dass mir so etwas noch nicht passiert ist. An der Binnenalster oder in Grünwald hätte mich keiner wegen so etwas angesprochen. Die Damen und Herren hier wollen wohl unter sich bleiben, so scheint es mir, wenn die Stadt Fremden nicht mal die Möglichkeit einräumt, zu parken.

Gut, mir reicht es, man muss ja nicht unbedingt, wenn man sich eine Stadt ansehen möchte, aus dem Auto aussteigen. Und wer hat behauptet, dass so eine »Sightseeingtour« länger als eine halbe Stunde dauern muss. Also ab auf die Autobahn. Durch superenge Gassen mit miesem Pflaster und an, naja wie schon gesagt, verfallenen Häusern vorbei Richtung Süden.

So, ich muss sagen, dass Baden-Baden einfach überschätzt wird. Es lebt (noch) von den Erinnerungen und Mythen längst vergangener Tage. Ich denke, man muss in Baden-Baden mindestens 70 Jahre alt sein, Pelzmantel tragen (auch als Mann, man hat’s ja und jeder soll’s sehn!) und der festen Überzeugung sein, dass man zur »Upper Class« gehört. Anders ist diese Stadt nicht zu ertragen.

Mich würde interessieren, wo die Einwohner einkaufen gehen, ihr Auto reparieren lassen oder sich abends treffen. Ich weiß nicht, diese ganzen Dinge und noch viel mehr fehlen hier einfach um als lebenswert zu gelten.

Ach ja die Mieten sind ca. 50 bis 70% höher als in Nachbarorten. Das Fünfsternehotel habe ich herausgefunden, gehört zu Bühl und nicht zu Baden-Baden und das weltberühmte Pferderennen ist in Iffezheim, ca. 15 km entfernt von Baden-Baden.

Baden-Baden ist alt, Baden-Baden ist ein riesiges Seniorenheim und Baden-Baden ist in keiner Weise mondän.