Internet Explorer 8 setzt auf Blacklisten (update)

Auch wenn ich’s nicht so drastisch ausdrücken würde wie Eric – Microsoft kehrt zu seinen alten Misstugenden zurück und erliegt dem vermeintlichen Druck, das Web nicht breaken zu dürfen.

Spulen wir kurz ein Jahr zurück: Zuerst hatte Microsoft vor, einen Internet Explorer 8 auf den Markt zu bringen, der sich per default gar nicht wie ein IE 8 verhält, sondern wie ein IE 7. Wer als moderner Webdesigner die wirklich standardkonforme neue IE-8-Engine für seine Website nutzen wollte, hätte einen zusätzlichen Tag in den Head schreiben müssen, der dem Browser sagt: »Hey, bitte rendere diese Seite nach den Standards!« – Eine absurde Situation, denn per Definition sind Standards ja dafür da, als Default-Einstellung herangezogen zu werden.

Der Protest bei den Webdesignern war groß, und tatsächlich lenkte Microsoft kurze Zeit später ein. Seit einigen Monaten gehen wir davon aus, dass der IE 8 alle Webites per default mit der neuen Rendering-Engine darstellt. Nur für Websites, bei denen das zu offensichtlichen Darstellungsproblemen führt, sind zwei Abhilfemöglichkeiten vorgesehen, um das vorgesehene Layout korrekt anzeigen zu lassen:

  • Der User kann auf einen speziellen Button im Browser drücken und zum IE-7-Kompatibilitätsmodus wechseln.
  • Der verantwortliche Webdesigner (wenn er denn noch lebt und wenn das Projekt noch betrieben wird) kann in seinem HTML-Head explizit festlegen, dass dieser Kompatibilitätsmodus immer automatisch eingeschaltet werden soll, wenn jemand mit IE 8 daherkommt.

Dieses Kompromissmodell fand Anklang bei allen, und erscheint auch logisch: Sollten ein paar verrotzte Banking-Portale aus dem letzten Jahrtausend tatsächlich noch auf die fehlerbehaftete IE-7-Engine angewiesen sein, kann man das schnell fixen. Alle modernen und aktiven Websites, die beispielsweise im Firefox gut aussehen, werden ziemlich sicher auch im IE 8 gleich gut aussehen.

Doch nun überrascht uns Microsoft mit einer weiteren Variation seiner Vorgehensweise. Nun kommt eine ominöse Blacklist ins Spiel. Und das geht so: Prinzipiell bleibt das Spiel wie gehabt. Doch jedesmal, wenn ein User auf einer Website manuell in den IE-7-Modus wechselt, wird dies von Microsoft registriert und gespeichert. Und wenn dies nun sehr häufig passiert, vermutet Microsoft, dass die Seite nicht standard-konform genug ist und die gesamte Domain(!) landet auf einer Blacklist. Ist dies geschehen, wird von nun ab auch bei allen anderen Usern wieder automatisch der IE-7-Kompatibilitätsmodus aktiviert. Die Seite ist praktisch gebrandmarkt.

Was für eine Scheiße! Denn was auf den ersten Blick wie ein cleveres, social-web-mäßiges Selbstkontrollsystem wirkt, kann dramatische Folgen haben, wie Joe Clark Mike Davies feststellt:

So if a large number of people went to A List Apart at the same time and a enough of them clicked on the Compatibility View, A List Apart’s domain would be added to a blacklist. By default A List Apart would then be rendered in the IE7 Compatibility Mode regardless of whether it renders correctly or not in the Standards Mode.

und noch schlimmer ist die indifferenzierte Domain-Bezogenheit:

This is insidious; organisations running multiple sites on subdomains (like Yahoo, AOL, CNN, Blogger, WordPress, Wikipedia, Ning) are exposed to a new risk: a problem with one single subdomain is sufficient to black-list all their websites into an IE7 Compatibility Mode.

Fazit: Wenn man wirklich sicher gehen will, nicht in der Blacklist zu landen, muss man nun doch ein zusätzliches, schwachsinniges Element in seinen Head einbauen …

Und ganz am Ende seines Artikels macht Joe Clark Mike Davies eine weitere unfassbare Beobachtung:

And to spite us, last week I noticed that the IE7 Compatibility mode doesn’t render pages exactly the same as Internet Explorer 7 itself.

Ich hoffe wirklich sehr, dass hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Auf der CeBIT werde ich in Kürze auf einige Microsoft-Mitarbeiter treffen. Bin gespannt, wie sie das verantworten können!

Update 14.02.2009:

Wie Eric berichtet, stellt Chris Wilson vom IE-Team einiges klar: Es gibt für Seitenbetreiber eine Mail, bevor man auf der Blackliste landet. Und man kann sich dann sehr einfach dagegen wehren. Also immerhin wieder ein Kompromiss, den man akzeptieren könnte. So richtig dolle finde ich’s trotzdem nicht!