Ich wär so gern ... Patchwork-Wähler!
12. September 2005
Eigentlich ist es schade, dass man sich bei der Wahl nicht für ein »Best-Of-Konzept« entscheiden kann: Die kreativsten Ideen unserer Politiker in einem Strategie-Sampler zusammengefasst. Und dazu ein Allstars-Schattenkabinett, das die besten Köpfe aus allen Parteien zusammenführt.
Traditionell wähle ich ja grün. »Kann man doch mal offen sagen«, würde Kerner jetzt sagen. Aber als solcher hat man es heute nicht leicht. Denn obwohl ich immer noch absolut hinter dem grundsätzlichen Weltbild und dem Masterplan (die haben sowas tatsächlich) von Rot-Grün stehe (Nachhaltigkeit, Frieden, Energiepolitik, Toleranz), so liebäugele ich doch in letzter Zeit verstärkt mit dem schlanken Staat und dem Bürokratieabbau von CDU und FPD. Es geht mir dabei nicht um einzelne Maßnahmen oder Leute, sondern vielmehr um die Richtung. Ich halte CDU/FDP für wirtschaftspolitisch kompetenter. Außerdem hätten sie mit einer deutlichen Mehrheit im Bundesrat zumindest in dieser neuen Legislaturperiode die Möglichkeit, eine Menge zu bewegen, und das in erhöhter Geschwindigkeit. Und was die grundsätzlichen Reformen auf dem Arbeitsmarkt angeht, so fahren Rot-Grün und Schwarz-Gelb auf dem gleichen Dampfer, muss man ja auch mal sagen.
Dennoch ist an der Aussage von Schröder was dran, wenn er behauptet, dass mit einer Merkelschen Regierung einiges an Wärme verloren ginge. Ist denn Wirtschaft alles? Nein! Und hat die SPD in den letzten sieben Jahren dem Land bösartig geschadet? Nein, denn auch mit der CDU wäre es wirtschaftlich exakt genauso bergab gegangen, soviel ist klar. Immerhin kann Rot-Grün viele gesellschaftliche Verdienste für sich verbuchen.
Die Frage bleibt: Wen wählen? Ich schaue mir wie verrückt die Talkshows im Fernsehen an. Das Problem dabei: Alle Parteien sind so überzeugend, dass ich immer während der Wortbeiträge dazu tendiere, dem gerade Referierenden meine Stimme geben zu wollen. Ausnahme: Die Linkspartei – die kann selbst ich als Schwätzer identifizieren.
Natürlich ist Gerhard Schröder ein Super-Typ. Aber warum hat er nicht ein paar Leute in seinem Kabinett, die was von Entbürokratisierung verstehen? Ich möchte Reformen, und zwar radikaler als bisher! Aber ich möchte dafür nicht die wichtige Grundsatzarbeit der Grünen aufgeben müssen. Und ich möchte, dass Schröder weiterhin unser Land repräsentiert. Aber wenn im Bundesrat aus Prinzip weiterblockiert wird, kann sich ja auch wieder nichts bewegen – daher ja auch die Vertrauensfrage!
Es war noch nie so spannend wie in diesem Jahr. Und ich war noch nie so verunsichert. Aber ich glaube, da bin ich nicht der einzige.