Die eigene Homepage (und andere Träume)
17. Juni 2004
Der Fall »Website«
Definition: Als Website bezeichnet man ein in sich geschlossenes Angebot im WWW, das sich meist durch eine einheitliche Domain-Adresse und eine einheitliche grafische Gestaltung auszeichnet. Eine Website besteht häufig aus mehreren HTML-Seiten.
Probleme: Dieses wunderbare Wort birgt gleich mehrere Fallstricke in sich. Das liegt vor allem daran, dass es sich bei »site« um einen astreinen false friend handelt: Eigentlich bedeutet es auf Deutsch nämlich »Platz« oder »Ort«, und nicht etwa »Seite«. Trotzdem wird »Website« und »Webseite« in Deutschland praktisch synonym verwendet. Der Ausdruck »Webseite« würde jedoch eine einzelne HTML-Seite innerhalb einer Website bezeichnen.
Doch nun zu Fehler Nummer zwei: Dadurch, dass wir zwar meist korrekterweise »Website« sagen, jedoch im Kopf dabei an eine »Seite« denken, machen wir das Wort automatisch weiblich. Die Website. Wenn wir uns an die englische Bedeutung erinnern, ergibt das wenig Sinn: Der Platz, der Ort usw. Konsequenterweise müsste es also im Deutschen heißen: Der Website. Das macht jedoch kein Mensch, auch ich nicht. Lediglich der deutsche Übersetzer des Science-Fiction Romans »Idoru« von William Gibson (Peter Robert) hat da ein bisschen sehr idealistisch gearbeitet. Ich bin da pragmatischer: Es klingt einfach zu fremdartig in unseren Ohren. Punkt.
Deutsche Synonyme für »Website«: Internet-Präsenz, Internet-Auftritt, Internet-Angebot.
Der Fall »Homepage«
Definition: Die Homepage ist die erste einzelne HTML-Seite, die man beim Aufruf einer Website zu Gesicht bekommt. Sie beinhaltet häufig eine Begrüßung des Besuchers, eine Inhaltsangabe oder aktuelle Highlights.
Probleme: Ich rege mich hier seit Jahren auf und predige gegen Wände, dass es sich bei der »Homepage« nicht um ein Synonym für »Website« handelt! Hier ist das Problem nicht eine falsche Übersetzung aus dem Englischen (der Begriff wird weltweit falsch verwendet), sondern eine Verschiebung der Relation des Wortes »home«.
Ursprünglich bezieht sich »home« nämlich auf das Verhältnis der Homepage zur gesamten Website. Sie ist der Anfangspunkt, um eine Website zu erforschen. Man wandert gleichsam zu Hause los, um einen Ausflug in die Weiten des Angebotes zu unternehmen. Nun sind die Menschen irgendwie und irgendwann dazu übergegangen, das »home« auf den Betreiber der Website zu beziehen. Quasi als virtueller Vorgarten, den sich die »Homepageersteller« (Unwort des Jahrzehnts) anlegen und regelmäßig pflegen. Das Prinzip von Web-Services wie Fortunecity, Xoom oder Tripod war ja genau das: Ein jeder baut sich sein kleines Heim im virtuellen Raum auf. Klar, dass sich dafür der bereits existierende Begriff »Homepage« wunderbar eignete. Und so wurde dieser kurzerhand umfunktioniert.
Inzwischen ist es zu spät, um an der Bedeutungsverschiebung noch etwas zu ändern. Obwohl ich es immer noch seltsam finde, dass sich Betreiber einer »Homepage«, die aus vielen einzelnen Unterseiten besteht, damit zufrieden geben, sprachlich gesehen nur eine »Homepage« zu haben. Denn das ist nun mal Singular und impliziert somit, dass es sich hier um eine einzelne Seite handelt. Nun gut. Ich meide das Wort jedenfalls seit geraumer Zeit und sage statt dessen lieber »Startseite« oder »Einstiegsseite«, dann weiß wenigstens jeder, was gemeint ist.
Der Fall »www.«
Definition: »www.« ist eine sogenannte Subdomain und stellt eigentlich einen Unterorder des Hauptverzeichnisses auf dem Webserver dar. Sie hat sich als Quasi-Standard etabliert, wenn es darum geht, Internet-Adressen zu kommunizieren. Bei fast allen Domains wird »www.« auf das Hauptverzeichnis des Webservers umgeleitet und ist dadurch eigentlich überflüssig.
Probleme: Einige Leute kommen damit überhaupt nicht klar, wenn sie zufällig eine Internet-Adresse sehen, die ohne die Subdomain »www« auskommt. Noch mehr Angst bekommen sie, wenn sie eine Subdomain wie »www2« entdecken. Häufig sind sie dann dermaßen verunsichert, dass sie sich nicht einmal trauen, diese Adresse in den Browser einzugeben, weil sie sich dann einen Virus einfangen könnten. Kein Witz.
Nun ist das an sich schon verständlich: Man könnte ja leicht denken, dass es sich bei »www.« um ein technisches Protokoll für Browser und Server handelt, welches aussagt: »Dies ist eine Adresse im World Wide Web.« Dabei ist es ganz anders; nämlich primär ein Erkennungssignal für die Menschen!
Die Server sehen in »www.« etwas ganz anderes: Sie erhalten die Anweisung, ein bestimmtes Unterverzeichnis des Webspace an den Browser des Benutzers auszuliefern. Da dieses Verzeichnis in 99,5% aller Fälle das gleiche ist wie bei Aufruf der reinen Domain ohne »www.«, ist die Angst der Leute komplett unbegründet.
Warum allerdings immer noch die meisten URIs mit »www.« kommuniziert werden, ist mir ein Rätsel. Denn nach über zehn Jahren World Wide Web sollten die Top-Level-Domains wie .de, .com, oder .net doch locker ausreichen, um eine URI als solche zu erkennen, der Mensch ist ja lernfähig. Und geht den Nordamerikanern und Briten das ewige »double-u-double-u-double-u« nicht langsam auf die Nerven?
Der Fall »Computerbild«
Die heroische Mission der großartigen Fachzeitschrift ComputerBILD ist es seit geraumer Zeit, mit den ganzen Fachausdrücken (die eigentlich gar keine Fachausdrücke mehr sind) aufzuräumen und sich eine kleine, autistische Sprachwelt zusammenzuschustern. Leider haben sie inzwischen die göttlichen »sprich: Kompjutähr«-Hinweise getilgt. Doch nach wie vor gibt es Betriebsprogramme, Verbesserungsprogramme und natürlich die Internetzugriffsprogramme. Klingt ein bisschen wie »Reichsdeputationshauptschluss« und ist im Vergleich zu »Browser« eine armselige Kopfgeburt. Während der englische Begriff sich der Sache vom Bauch her nähert, nämlich das Gefühl vermittelt, sich durch die vielen bunten Angebote des WWW zu bewegen, ist »Internetzugriffsprogramm« eine beamtendeutsche Umschreibung, und außerdem extrem schwammig: Denn ist mein FTP-Client nicht auch ein Internetzugriffsprogramm? Und mein eMail-Client? Und mein RSS-Reader? Das eigentliche Internetzugriffsprogramm ist nämlich versteckt im Betriebssystem und stellt die Datenverbindung zum Netz her, derer sich dann Browser und eMail-Client bedienen.
Was lernen wir daraus? Vorsicht beim Schaffen von neuen Ausdrücken! Oftmals trifft es die Sache nicht oder stellt eine Verschlimmbesserung dar.
Der Fall »Syndication«
Definition: Als Syndication bezeichnet man, wenn Inhalte einer Website nicht nur in HTML angeboten werden, sondern zusätzlich in Form eines streng genormten XML-Dokumentes. Die Inhalte dieser Datei können automatisch ausgelesen und verarbeitet werden und a) auf anderen Websites eingebunden werden. b) in Newsreadern angezeigt werden.
Probleme: Ich warte immer noch auf eine passende Bezeichnung für diese Technik. »Syndication« ist kein guter Ausdruck, um die Sache zu beschreiben, denn ein Syndikat ist nun mal primär ein (krimineller) Zusammenschluss von Wirtschaftsfirmen, um gemeinsam mehr Erfolg zu haben. Das mit dem »gemeinsam mehr Erfolg« trifft zwar teilweise zu, wenn man sich Verwendungszweck a) anguckt. Doch in 95% der Fälle werden Syndication-Feeds dazu genutzt, durch b) immer die aktuellen Inhalte einer Website ins Haus geliefert zu bekommen. »Update-Pusher« wäre also ein treffender Begriff, klingt aber doof. Vielleicht fällt uns da ja noch was besseres ein. Spätestens wenn in einem oder zwei Jahren die breite Masse der User den Mehrwert von XML-Feeds entdeckt, werden wir mit Sicherheit wieder lustige Überraschungen erleben. Vielleicht weiß ja ComputerBILD, wie man sprachlich damit umzugehen hat!