EOT und WOFF im Jahre 2010

praegnanz.de-Leser Simon hat mir eine E-Mail geschrieben und sich darin gewundert, warum ich in meinem Blog noch gar nichts über die aktuellen Entwicklungen um EOT und WOFF gebracht habe. Nun, Recht hat er wohl! Irgendwie ist das ja doch auch ein Thema, das mir am Herzen liegt, also fassen wir erst einmal kurz zusammen:

Nachdem in den letzten zwei Jahren die meisten Browserhersteller die Themen Webfonts und @font-face wiederentdeckt haben – allen voran natürlich Safari, aber auch Firefox, Opera und Chrome – standen prinzipiell nur noch zwei kleine Dinge der grenzenlosen Typofreiheit im Netz im Weg:

  1. Die neue Generation von Browsern konnte nur sogenannte »Raw Fonts« verwenden, also vollwertige OpenType-Schriften. Für diese Schriften existierten jedoch faktisch keine entsprechende Lizenzen, die das Einbinden auch erlauben.
  2. Der marktführende Browser (= Internet Explorer) konnte nur mit sogenannten EOT-Dateien etwas anfangen. EOT-Schriften existierten in der freien Wildbahn überhaupt nicht, und das Konvertieren war weder erlaubt noch besonders benutzerfreundlich.

Beide Probleme wurden nun von der Browser- und Schriftindustrie angegangen, und das vorläufige Ergebnis sieht folgendermaßen aus:

  1. Statt Lizenzen für vollwertige Raw Fonts zu verteilen, kann man sich nun bei Fontshop (und sicher bald auch weiteren Schrifthäusern) Font-Dateien im neuen WOFF-Format kaufen. Diese sind explizit für das Font-Linking im Web zugelassen und kommen dennoch ohne DRM aus. Dafür sind sie für den Einsatz im Print nicht zugelassen und funktionieren technisch auch gar nicht, wenn man nicht mit Tricksereien hantieren möchte.
  2. Die Schrifthäuser bieten außerdem fertig konvertierte EOT-Fonts an, um die Internet-Explorer-Nutzer abzudecken. Darüber hinaus gibt es inzwischen einige nutzerfreundliche Online-Services, mit denen man sich – Lizenz vorausgesetzt – selber EOT-Dateien basteln kann.

Noch ist das alles nicht fertig, denn der Firefox 3.6 ist derzeit der einzige Browser, der mit WOFF etwas anfangen kann, und natürlich muss jetzt von den ganzen Schrifthäusern erforscht werden, wie die Marktpreise für so einen dedizierten Webfont sein könnten …

Zur Kritik: Rein technisch betrachtet wäre WOFF natürlich nicht unbedingt nötig gewesen, da es sich letztlich um nichts weiter handelt als einen gezippten Raw-Font mit einer Zusatzdatei, in der ein paar Lizenzbestimmungen und der Lizenznehmer erwähnt sind. Aber WOFF ist eine psychologische Hürde, die Gelegenheitsdiebe abschrecken soll. Denn ohne an den Dateien herumzudoktern, kann man sie eben nicht so ohne weiteres auf beliebigen Websites (oder im Print) verwenden. Die Schriftindustrie macht hier (für ihre Verhältnisse) ein ziemliches Zugeständnis, denn mit bösem DRM hat dieses sanfte Wasserzeichen nur wenig zu tun. Hätte schlimmer kommen können!

Auf jeden Fall haben wir jetzt eine technische Lösung, die zwar immer noch nicht perfekt ist (weiterhin zwei Formate notwendig, um alle Browser abzudecken), aber mit der sowohl Schrifthersteller als auch Browserschmieden glücklich sind, und das erscheint am wichtigsten. Außerdem besteht berechtigte Hoffnung, dass der neue Internet Explorer 9 ebenfalls WOFF-Schriften darstellen können wird. Und natürlich verbietet es niemand einem Schriftentwerfer, seine Raw-Fonts auch für das Font-Linking freizugeben. Eine schöne Latte davon findet sich im Webfonts-Wiki von Ralf Herrmann, wo sich auch sonst so ziemlich alles über das Thema findet.

Wer sich den ganzen Formatstress nicht antun möchte und kein Problem damit hat, gewisse Dinge outzusourcen, dem empfehle ich übrigens einen Mietservice wie Typekit zu benutzen. Hier wird die gesamte Technik komplett wegabstrahiert, und der Webdesigner muss nur noch eine Zeile JavaScript in den Code einfügen, sowie seine gewünschte Schrift im CSS zu verwenden. Ich bin ein erklärter Fan von dieser Art der Einbindung (hier bei praegnanz.de gibt es zurzeit die FF Dax über Typekit), denn technische Upgrades auf Basis von neuen Erkenntnisse über Browser und Schriftformate kommen hier automatisch und frei Haus.

  • Eine interessante Diskussion über das Für und Wider von WOFF gibt es im Fontblog zu verfolgen
  • Noch sind WOFF-Fonts rar gesät. Wer nicht gleich kaufen, sondern erstmal kostenlos testen möchte, wird bei der FF Nuvo fündig.

Ich bin gespannt, wann Linotype sich am Riemen reißt und im großen Stile die großen Schriftklassiker des 20. Jahrhunderts als WOFF und EOT herausbringt. Ich warte auf Frutiger, Avenir und Eurostile!