E-Books – prima selbstgemacht!
2. Februar 2012
Auf Hypes muss man aufspringen, solange sie heiß sind. Also schreibe ich ein paar Erkenntnisse aus der E-Book-Forschung auf, die ich in den letzten Wochen zusammengesammelt habe. Dieses Stück ist gleichzeitig eine Art Gedächtnisprotokoll meines Mini-Vortrages auf dem letzten Webmontag, mit einigen Umstrukturierungen, Fehlerkorrekturen und Ergänzungen.
Am Anfang jedweder Überlegung steht selbstredend der Wunsch, ein eigenes E-Book zu veröffentlichen. Dazu muss dieses fachgerecht hergestellt werden, und damit beginnen schon die Probleme! Denn natürlich haben wir hohe Ansprüche an die gestalterische, technische und mediengerechte Umsetzung unseres Werkes. Es bringt also enorm viel, erst einmal zu überlegen, welche Art von E-Book wir überhaupt machen, und auf welchen Plattformen wir es in die Welt tragen wollen.
Das PDF-Format
Da wäre erst einmal das gute, alte PDF. Dieses lässt sich seit einem guten Jahrzehnt problemlos herstellen und auf beliebigem Wege vertreiben. Tageszeitungen und Printmagazine haben sich irgendwann geeinigt, ihre PDF-Ausgaben als E-Paper zu bezeichnen und grotesk überteuert über ihre Websites zu vertreiben. Manche Fachbuchverlage bieten ebenfalls PDF-Versionen Ihrer Werke an, die sie per Gutscheincode ihren Printkäufern zum Download anbieten. Kurz gefasst: Das PDF ist die direkteste digitale Umsetzung eines Print-Erzeugnisses. (Es gibt in der Tat einige Ausnahmen. Aber PDF-Magazine, die für die Bildschirmdarstellung optimiert wurden, haben sich nie so recht durchgesetzt. Und wurden trotzdem oftmals einfach ausgedruckt.)
PDFs sind starr und unflexibel, das Layout pro Seite in allen Parametern festgebacken. Die einzige Anpassung an unterschiedliche Bildschirme besteht in der plumpen Skalierung der gesamten Seite auf die jeweils gewünschte Größe. Zwar können fast alle Endgeräte und E-Book-Readerprogramme PDFs anzeigen, doch wie viel Spaß so eine Gala oder c’t auf dem verhältnismäßig winzigen Graustufen-Display des Kindle macht, kann man sich denken. Ob man PDF überhaupt als E-Book-Format bezeichnen kann, ist fraglich. Im Volksmund geschieht dies aber, deswegen. Und der Vollständigkeit halber.
PDFs herstellen
PDFs lassen sich grundsätzlich in jedem beliebigen Textverarbeitungs- oder Layout-Programm zusammenstellen und exportieren. Der Design-Profi greift hier natürlich zu Adobe InDesign, der clevere Amateur kann es mit Apple Pages oder dem neuen iBooks Author versuchen, stressresistente Büroarbeiter starten instinktiv MS Word oder OpenOffice, bevor sie entnervt aufgeben (oder den Schrott zu Ende führen). Informatiker sowie Hierarchiefans und religiöse WYSIWYG-Gegner sind dagegen happy mit LaTeX. Bevor es ans Layouten geht, sollte man jedoch auf jeden Fall die Gretchenfrage stellen: Sag, Nutzer, wie hältst du’s mit dem Ausdrucken? Screenoptimierte PDFs können im Querformat (16:9) und mit höherem Schriftgrad deutliche Erleichterungen für den umweltbewussten Digitalfan mit sich bringen. Der Traditionalist druckt PDFs jedoch reflexartig aus – hier ist dann kleinere Schrift und DIN A4 im Hochformat die richtige Wahl.
Das ePUB-Format
In einer perfekten Welt hat ePUB schon gewonnen. Es ist das offizielle, vom IDPF standardisierte und von allen Parteien respektierte Dateiformat für richtige E-Books, also die Dinger ohne fixes Seitenlayout (wie beim PDF) und ohne native Programmierung (wie bei Apps). Statt dessen ist ePUB offen, kann schick per Hand analysiert, und genauso schick per Hand hergestellt werden. Es lassen sich sogar proprietäre DRM-Maßnahmen draufstöpseln, wenn man das als Verlag unbedingt will. Alles super also!
Wäre da nicht das Problem, dass die weltweit populärste E-Book-Plattform, namentlich Amazon Kindle, ePUB eben nicht unterstützt! Fast paradox: Selbst Apples iBooks und der dazugehörige Store (auf iPhone und iPad) arbeiten seit Jahr und Tag mit ePUB-Büchern, die ganzen kleineren, alternativen E-Book-Shops ebenfalls, und jeder neue Marktteilnehmer täte gut daran, sich voll auf ePUB einzuschießen: Bücher im diesem Format lassen sich sowohl semantisch strukturieren (Syntax ist identisch mit HTML), als auch visuell ansprechend gestalten (per CSS-Anweisungen). Im Grunde sind ePUBs also Websites mit ein paar Extra-Informationen zu Titelbild, Inhaltsverzeichnis und anderem Buchkram.
Wie ein ePUB beim Leser letztlich dargestellt wird, hängt allerdings stark von der verwendeten Leseumgebung ab: Ein kleiner E-Ink-Reader mit Graustufendisplay wird die meisten CSS-Anweisungen schlicht ignorieren und alles so darstellen, wie es für seine Hardware optimal ist (und wie der User es sich konfiguriert hat). Reader mit größeren Farbbildschirmen und mit mehr Speicher und Prozessorpower lassen sich meist stärker auf die vom Autor gesetzten CSS-Regeln ein. Es gilt, wie immer bei der Gestaltung von flexiblen Layouts: Der Autor kann gut gemeinte Gestaltungsvorschläge machen – aber das Endgerät muss sich nicht daran halten!
ePUBs herstellen
So ein ePUB ist – wie oben schon angedeutet – nichts weiter als eine Reihe von regulären HTML-Dateien (grob: für jedes Kapitel eine Datei), dazu eine CSS-Datei, und zur Garnierung einige wenige XML-Dateien, die das Inhaltsverzeichnis und ein paar Meta-Informationen enthalten. Zur Krönung eine Grafik als Buchcover dazu – wunderbar. Der Ordner mit dem ganzen Kram wird dann gezippt (aber nicht mit dem eingebauten ZIP-Tool des Betriebssystemes!), und die .zip-Datei in .epub umbenannt, fertig ist die Laube. (Diese Erläuterung war nur um ca. 15 Prozent vereinfacht. Den gesamten Prozess sollten Sie unbedingt in diesem vollständigen Tutorial zur ePUB-Erstellung nachvollziehen.)
Die neueste Inkarnation von ePUB, Version 3, basiert konsequenterweise auf den aktuellen Webstandards HTML5 und CSS3. Auch hier gilt natürlich: Es gibt keine Garantie, dass propagierte Features auch wirklich funktionieren – das können die unterschiedlichen Reader schon rein hardwaretechnisch nicht leisten. Aber HTML und CSS sind ja seit Jahren Weltmeister im Fallback – dies sollte also nicht das Problem sein. Ein richtig ordentliches ePUB bedeutet demnach Handarbeit im Code-Editor, denn zuverlässige Programme zur sauberen WYSIWYGigen Erstellung sind Mangelware. Zwar gibt es sowas wie einen ePUB-Export in Apple Pages, und sicher auch das eine oder andere Word- oder InDesign-Plugin. Doch die taugen genauso viel wie der jeweilige HTML-Export dieser Programme: nichts. Wer es ernst meint, schreibt seine ePUBs in purem HTML, oder beauftragt einen Webstandards-erfahrenen Dienstleister seiner Wahl.
Das MOBI/KF8-Format
Auch wenn es an allen Ecken und Enden Gerüchte über eine Verbesserung der Situation gibt: Derzeit wird auf der populärsten E-Book-Plattform das ePUB-Format nicht unterstützt. Um ein E-Book auf den Kindle zu bringen, muss man entweder das MOBI-Format (ehemals Mobipocket) oder das KF8-Format (Kindle-Format 8) zu bieten haben. Am besten beide: Ältere Kindles können nämlich noch kein KF8 darstellen, das Nachfolgeformat von MOBI.
Das Witzige daran ist eigentlich, dass sich beide Formate von der Funktionalität her nicht wesentlich von ePUB unterscheiden. Sie leisten die gleichen Dinge, KF8 beruft sich ebenfalls auf CSS3, und so weiter. Allein: Das Reingucken in ein Kindle-E-Book ist eben nicht so einfach, weil es sich nicht um eine gezippte Dateisammlung handelt, sondern um eine binär kompilierte, proprietäre Software.
Technisch gibt es dafür freilich keinen echten Grund, wohl aber unternehmenspolitisch. Dies zu diskutieren ist aber müßig, und für diesen Artikel nicht angemessen. Von daher akzeptieren wir einfach, dass wir
a) die Kindle-Plattform auf jeden Fall bedienen müssen und wollen, weil sie weltweit und inzwischen wohl auch in Deutschland die verbreitetste Plattform ist.
b) dafür eine weitere Version unseres E-Books herstellen müssen.
MOBI/KF8-Dateien herstellen
Klingt alles schlimmer als es ist, denn Amazon greift einem unter die Arme, was die Erstellung von E-Books im MOBI/KF8-Format angeht. Es gibt einen kostenlosen Kindle-Simulator, ein dickes Kompendium (was niemand lesen will), und einen kommandozeilenbasierten Generator namens KindleGen. Dieser wird gefüttert mit – wait for it! – ePUB-Dateien. Überrascht? Nun, hier schließt sich der Kreis: Kindle-E-Books können als kompilierte ePUBs angesehen werden, und je besser und sauberer mein ePUB umgesetzt ist, desto besser und sauberer ist am Ende auch mein Kindle-E-Book.
Wer sich den Stress mit der Kommandozeile nicht geben möchte, kann auch einen bequemen Online-Converter verwenden (Qualität jedoch nicht getestet). Und für eine genaue Schritt-für-Schritt-Anleitung gibt es abermals ein hervorragendes Tutorial für die Kindle-E-Book-Erstellung.
update: Man kann für noch besser auf Kindle angepasste Bücher ein paar spezielle Funktionalitäten einsetzen, die es so im reinen ePUB nicht gibt. Alles Wissenswertes dazu hat Vlad hier detailliert aufgeschrieben
Hätten wir dann alles? Nun, nicht ganz:
Das .ibooks-Format
Vor ein paar Tagen hat Apple mit einer Produktpräsentation für Aufruhr gesorgt, wo eigentlich gar kein Aufruhr angebracht ist. Es handelt sich um das (nicht ganz taufrische) Konzept von Multimedia-Textbooks (Textbook = amerikanisches Highschool-Lehrbuch mit Text, Illustrationen, Tabellen und Grafiken, sowie unterschiedlichen redaktionellen Ebenen). Diese sollen ab sofort gefälligst auf dem iPad konsumiert werden, allerlei bunte Glasperlen in Form von Videos und interaktivem Schnickschnack enthalten, und kommen im neuen Dateiformat .ibooks daher, welches in Zukunft parallel zu .epub im iBooks Store unterstützt wird. Und weil Apple gründlich ist, liefert die Firma auch gleich das dazugehörige Erstellungsprogramm mit: iBooks Author.
Ein Teil des Aufruhrs rührt daher, dass das .ibooks-Format auf der einen Seite von Apple als ihre proprietäre Entwicklung kommuniziert wird, auf der technischen Seite aber einem .epub zum Verwechseln ähnlich sieht. Man kann es aufmachen, sich angucken und darin stöbern, wie alles umgesetzt ist. Und kommt dann allerdings zu der Erkenntnis, dass die technische Basis zwar tatsächlich ePUB ist, jedoch derart umgebogen und ohne Rücksicht auf den aktuellen Stand der Webstandards um diverse eigene webkit-Funktionen erweitert, dass ein .ibook nirgendwo anders sinnvoll angezeigt werden kann als eben auf dem iPad.
Um das klarzustellen: Apple behauptet nicht, ePUB zu verwenden. Sie tun es auch nicht. Die Ähnlichkeiten mit dem ePUB-Standard sind eher pragmatischer Natur, und man sollte sich nicht darauf verlassen. Und dies ist das Traurige an der Geschichte: Mit iBooks Author hätte der engagierte E-Book-Verfasser endlich ein halbwegs rundes WYSIWYG-Werkzeug an der Hand, um coole (oder auch normale) E-Books im ePUB-Format zu erstellen. Doch was iBooks Author am Ende ausspuckt, ist ein reines Apple-Format, welches nur auf dem iPad nutzbar ist, und welches zusätzlich juristisch geschützt ist: Möchte man nämlich Geld für seine .ibooks-Datei verlangen, muss man sie ganz offiziell im iBooks Store anbieten, mit 30 % Umsatzbeteiligung für Apple. Verschenkt man hingegen sein »Textbook«, kann man das auf beliebigem Wege tun.
Nicht ganz eindeutig geklärt ist die Frage, ob diese Nutzungseinschränkung auch für PDFs gilt. (update 4.2.2012: PDFs sind okay) Denn iBooks Author besitzt einen simplen PDF-Export. Damit lassen sich natürlich nicht die ganzen Multimedia-Spielereien erhalten (Obwohl PDF erstaunliche Multimedia-Fähigkeiten besitzt, doch das ist ein Thema für sich); Aber warum sollte man nicht die nutzerfreundlichen Layoutfunktionen von iBooks Author missbrauchen, um schlicht und ergreifend ansprechende PDFs zu gestalten? Ich persönlich glaube nicht, dass Apple dies aktiv verhindern möchte. Sie wollen die »nativen Textbooks« schützen und im eigenen Ökosystem behalten. Das ja. Aber PDFs sind eine andere Schiene und lassen sich ja zur Not auch mit Pages, Keynote oder anderen kostengünstigen Programmen erstellen. (Aber dies ist keine Rechtsberatung. Abgesehen davon wird sich das mit Sicherheit klären in den nächsten Tagen.)
Fazit
Bleibt die kaum überraschende Erkenntnis, dass sich angehende E-Book-Autoren am Anfang einige konzeptionelle Fragen stellen müssen:
- Soll das Buch gedruckt oder am Bildschirm gelesen werden?
- Ist mein Buch sehr Layout-lastig und benötigt eine gute und unverfälschte Darstellung von Illustrationen?
- Oder habe ich viel Prosa und nur ganz vereinzelt mal eine grafische Abbildung?
- Lege ich Wert auf eine maximale Verbreitung auf möglichst vielen Plattformen, oder reichen mir einzelne Plattformen, damit ich bessere Kontrolle über die Darstellung habe?
- Will ich das Buch verschenken oder verkaufen?
Ich hoffe, dass der geneigte Autor nach Beantwortung dieser Fragen hier im Text die richtigen nächsten Schritte für sein E-Book-Projekt gefunden hat. Feedback, Fehlerkorrekturen und Ergänzungen bitte per Mail oder Kommentar, dann machen wir diesen Text zu einem Living Document. (So Dinge, die mit klassischen E-Books nicht so richtig gut funktionieren.)