Die WIRED auf dem iPad

Wenn man sich die WIRED-App für das iPad herunterlädt, ist man zunächst ein wenig fassungslos: 500 MB ist das gute Stück schwer. Auf einem 16GB-Gerät, wie ich eines mein Eigen nenne, werde ich also realistischerweise nie mehr als eine oder zwei Ausgaben lagern können, es sei den, ich verzichte auf alle anderen Inhalte. Grund für diesen großen Ballast: Integrierte Vieosequenzen und die Tatsache, dass sämtliche Seitenlayouts komplett als Bilder existieren und nicht auf dem Gerät gerendert werden. Das hat natürlich Vor- und Nachteile, zeigt aber auch gleich das Selbstverständnis, mit dem hier an die Sache rangegangen wird: Wir sind göttliche Designer, nutzen die göttlichen Adobe-Werkzeuge zum Gestalten und lassen uns nicht von irgendwelchen Usern in die Suppe spucken, die das Layout an ihre Bedürfnisse anpassen wollen. Oh nein!

WIRED app

Die Wired besteht aus einzelnen Vollbildseiten, die es jeweils in zwei Versionen gibt: Hochkant- und Querformat. Beide Versionen sind individuell und manuell gestaltet – hier wird nichts automatisch berechnet, und das ist ja prinzipiell auch löblich. Weniger toll: Man kann nicht zoomen, und eine abgespeckte Textversion ist auch nicht vorgesehen. Überhaupt ist das Layout komplett versiegelt und wirkt wie gedruckt – man kann nichts damit anstellen, außer weiterblättern und ein bisschen darin rumtippen, wenn es ein »interaktives Element« zu entdecken gilt.

Diese »interaktiven Elemente« wirken genauso dröge und veraltet wie sie klingen: Man klickt sich durch die eine oder andere Bildergalerie und hört sich ein Soundschnipselchen an. Videos gibt es auch, werden aber nicht inline dargestellt, sondern ausschließlich im Vollbildmodus. Das ganze wurde von vielen Kritikern als moderner Aufguß der Multimedia-CD-ROMs der frühen Neunziger bezeichnet, und genau das ist es auch. Die Interaktion ist auf exakt vorberechnete Bahnen beschränkt. Das digitale Medium schrumpft zum Abklatsch der Printvariante, nicht zu einer mediengerechten Aufbereitung der Inhalte.

Natürlich ist das Heft toll anzusehen! Die Schrift ist okay lesbar und alles sieht super-stylisch, durchgestaltet und modern aus (natürlich im Bubblegum-US-Look, aber das ist ja eine kulturelle Sache). Auch die Performance stimmt: Die Seiten lassen sich pfeilschnell und superflüssig durchblättern, das flutscht alles wie am Schnürchen. Kein Wunder: Wenn alle Seiten schon vorberechnet sind, hat das iPad nur noch stumpf ein paar Pixel durch die Gegend zu schieben.

Zugegeben: Der normale Leser interessiert sich nicht für die Technik dahinter. Aber auf dem iPad wird man andererseits laufend so konditionert, dass man Texte und Bildausschnitte vergrößern kann. Man versucht das auch bei WIRED ständig, und es klappt nicht. Das Magazin müsste sich also deutlich mediengerechter und flexibler verhalten, wenn ich es wirklich ernst nehmen soll.

Außerdem störend: Wahnsinnig viel Werbung! Die ist zwar auch mit viel Handarbeit komplett doppelt gestaltet worden (hoch und quer), aber es nervt bei einem 4-Euro-Magazin ohne Druckkosten schon enorm. Anders als die meisten anderen Magazine bringt WIRED für jede monatlich erscheinende Ausgabe eine eigene Applikation heraus. Das kann man gut oder schlecht finden, aber wahrscheinlich ist es sogar praxisnah, denn mehr als 3 oder 4 Ausgaben will man aus Platzgründen eh nicht behalten.

Die WIRED ist ein netter Versuch von Adobe, auch die klassischen Printdesigner mit auf den digitalen Zug zu nehmen. Sie können weiterhin mit InDesign arbeiten und haben pixelgenaue Kontrolle über die gesamte Visualität. Das macht auf den ersten Blick Eindruck. Auf den zweiten Blick ärgert man sich jedoch, wie sehr damit die Möglichkeiten eines digitalen Mediums ignoriert werden. Da ginge viel mehr, wenn man denn mal die Kontrolle aufgeben wollen würde.