Die sprachnachrichten des Vereins Deutsche Sprache e. V.
24. März 2008
Vor mir liegt ein Exemplar der sprachnachrichten. Ein kostenloses Exemplar muss ich wohl hinzufügen, welches mir unaufgefordert in den Briefkasten gelegt wurde. Bisher dachte ich, dass es lediglich – Achtung, Nazivergleich! – rechtsradikale Wahlkampfpamphlethe nötig hätten, unaufgefordert in fremde Briefkästen versenkt zu werden. Aber ganz so wahllos geht der Verein Deutsche Sprache glücklicherweise nicht vor – immerhin prangt mein Name und meine Adresse auf der Rückseite. Es handelt sich also um eine reguläre Postsendung, wenn auch die Kontaktdaten sicher von irgendeinem windigen Adressenhändler verkauft wurden.
So eine Zeitung macht mich immer neugierig, weil man unverhofft einen Einblick darin bekommt, was andere Menschen zu umtreibt. Und es ist wahrhaft erstaunlich: Die Publikation erscheint offenbar quartalsweise und hat 32 Seiten. Der Inhalt jedoch beschränkt sich auf zwei Kernthemen, die in mannigfaltig variierter Form stetig iteriert werden:
- Die Vermischung von Deutsch und Englisch ist böse.
- Die neue Rechtschreibung ist böse.
Viel mehr kommt da nicht, und der Erkenntniswert der einzelnen Artikel wird immer geringer, je mehr man von ihnen liest. Selbstverständlich ist die gesamte Zeitung in der »bewährten«, »traditionellen« oder auch »konservativen« Rechtschreibung verfasst und wirkt für junge Augen wie meine inzwischen etwas wunderlich. Überhaupt zielt der gesamte inhaltliche und formale Duktus eher auf die ältere Generation ab, wie mir scheint. Man ist gern unter sich, wenn es darum geht, auf das Neue und Moderne zu schimpfen.
Beim Durchlesen der Artikel stören mich dann auch eigentlich weniger die zahlreichen netten Alternativ-Vorschläge für denglische Begriffe (»Prallkissen«, »Netzauftritt« usw.), sondern diese enervierende sprachfaschistoide Haltung des »Es darf sich nichts vermischen!«. Das nervt gewaltig und wirkt verkrampft, zumal die böse Sprachvermischung immer dann bejubelt wird, wenn es mal ein deutsches Wort in andere Sprachen schafft, wie beim Werbeslogan »Vorsprung’s finest hour« von Audi. Hier darf dann gepanscht werden, aber »Service-Mitarbeiter« und »Podcasting« sind nicht erlaubt.
Damit wir uns nicht falsch verstehen – das sind keine Ignoranten oder Idioten, die Leute vom Verein Deutsche Sprache. Sie kennen viele gute Argumente und noch wichtiger: Sie kennen auch viele Gegenargumente. Aber ich mag diesen elend konservativen Muff nicht, der alle Aussagen und Artikel durchzieht wie kalter Zigarettenrauch eine morgendliche Kneipe. Mit 32 Seiten alle drei Monate und vielen gebildeten Autoren kann man tollere Dinge anstellen, als immer nur auf zwei Themen herumzuhacken. Der Vorsitzende redet von einer »fröhlichen Aggressivität«, die an den Tag gelegt werden soll. Ich meine, dass man mit fröhlichem guten Beispiel und einem unverkrampften Sendungsbewusstsein viel weiter käme.
Ach ja, die Phrase »Klicken Sie unseren Netzauftritt an«, gehört eindeutig verboten. Nicht wegen des Netzauftritts, sondern wegen des Anklickens. Niemand klickt einen Netzauftritt an, sondern ruft ihn auf oder besucht ihn einfach.
P.S.: Mal sehen, in welcher Sprache die HTML-Klassen-Attribute der Website des VDS gehalten sind. Immerhin, sie sind auf Deutsch. dafür aber nicht semantisch (»weissfett«). Und selbstverständlich werkelt ein schickes Tabellenlayout – da waren ja echte Semantik-Profis am Werk, pfui Spinne!