Die brand eins auf dem iPad

Mit dem Wirtschaftsmagazin brand eins verbindet mich eine besondere Geschichte, denn damals im 6. Semester habe ich zusammen mit Christian Voigt die Geschichte und das grafische Konzept der Zeitung (und dessen Vorläufer Econy) genauestens unter die Lupe genommen.

Wie es zum guten Ton eines modernen Magazins gehört, ließ eine iPad-Version der brand eins nicht lange auf sich warten. Spannend ist dabei aus meiner Sicht vor allem, ob sich die Macher für den eher mediengerechten Weg entscheidet und eine eigens angepasste »Touchversion« zaubern, oder aber den klassischen Weg wählen und versuchen, die Userexperience des Druckerzeugnisses nachzubilden.

Die brand eins hat sich für Letzteres entschieden. Warum sie das getan hat, kann nur spekuliert werden. Ich vermute, es war schlicht eine Geldfrage. Aber was man dann aus den bescheidenen Mitteln gemacht hat, spricht mich wiederum sehr an.

Letztlich ist die brand-eins-App nicht viel mehr als ein PDF-Viewer mit ein paar speziellen zusätzlichen Funktionen zur Navigation. Angezeigt werden zunächst mal die unveränderten, normal layouteten Seiten des Print-Magazins, wobei erstaunlich ist, wie gut sich die dort verwendete Sabon auf dem iPad lesen lässt. Wenn man das Magazin hochkant hält, wird zunächst die ganze Seite angezeigt, lässt sich aber per Spreizgeste näher ranzoomen. Wechselt man zur Queransicht, wird die gesamte Breite der einzelnen Seite ausgenutzt, und man kann die Ansicht von oben nach unten touchscrollen. Ein Zoom ist in der Queransicht nicht vorgesehen. Dafür kann man eine Ebene zurückgehen und sich die Doppelseitenkompositionen angucken, auch wenn sich der Text dann nicht mehr lesen lässt.

Es gibt aber für jeden Artikel einen »Lesemodus«, der den reinen Text ohne jegliches Seitenlayout frei nach unten fließen lässt und dabei die gesamte Breite ausnutzt. In diesem Modus lässt sich der Schriftgrad ein wenig anpassen. Leider merkt sich die App nicht den eingestellten Wert, und beim nächsten Betreten des Lesemodus ist wieder der (zu kleine) Originalschriftgrad voreingestellt. Naja.

Die interaktiven Zusatzfunktionen sind auf das wirklich Sinnvolle reduziert und bieten ein klickbares Inhaltsverzeichnis (als Startseite oder dauerhaft aufrufbares PopOver), Volltextsuche, eine Lesezeichenfunktion und gelegentliche Bildergalerien zum lustigen Swipen. Der Fokus liegt aber ganz klar auf dem linearen Lesen von langen, interessanten Texten. Und das funktioniert wirklich sehr gut, auch wenn man bisweilen ein wenig das Gefühl hat, an einem – wenn auch komfortablen – Microfiche-Lesegerät zu sitzen.

Die App ist selbstredend kostenlos und kommt mit einem vollständigen Probeheft daher. Der Kauf von weiteren Heften geschieht über reguläre In-App-Purchases und kostet € 6,99 pro Ausgabe, was ein wenig billiger ist als die Print-Ausgabe (7,60 €). Da man sich an Apples Preisstufen halten muss, kann man zwar keine völlige Flexibilität erwarten, aber € 4,99 hätten es meiner Meinung auch getan …

Ich denke, dass die brand eins mit ihrer gesamten Philosophie der Reduktion eine angemessene App gebaut hat. Die Grundidee, das Layout des Printheftes zu konservieren und für den Screen verfügbar zu machen, schmeckt mir zwar eigentlich nicht besonders. Aber wenn es denn unbedingt sein muss (und sei es aus schnöden finanziellen Gründen), so hat die brand eins das zumindest sauber, ohne Schnickschnack und insgesamt überzeugend hingekriegt. Ein vorsichtiger Daumen nach oben.