Der Segen der Stagnation?
26. Februar 2008
Nachdem ich nun die beiden neuen ALA-Artikel über das Thema Nummer 1 gelesen habe (Version Targeting im Internet Explorer 8 natürlich), kann ich mir, glaube ich, endlich so etwas wie eine Meinung bilden. Und die geht, etwas vereinfacht, so:
Es gibt professionelle Frontend-Entwickler, die auf Zack sind und Webstandards lieben. Und es gibt Hobby-Webdesigner, die nur den IE kennen. Die zweite Gruppe ist leider klar in der Mehrheit. Und diese Tatsache kennt Microsoft natürlich. Der IE 8 ist nun der Versuch, beide Gruppen glücklich zu machen. Der engagierte Webprofi soll sich über besseres Rendering- und Scripting-Verhalten freuen, der planlose Amateur soll bitteschön nicht verwirrt werden durch plötzliche Änderungen im Browserverhalten.
Also bietet der IE8 und alle zukünftigen Versionen zwei Modi an: Der eine heißt »Ich verhalte mich wie IE7«, der andere heißt »Ich bemühe mich, möglichst Webstandards-konform zu arbeiten«. Irgendwie muss aber nun bestimmt werden, welcher der Modi bei einer Website greifen soll! Und hier gäbe es zwei Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen: Opt-In oder Opt-Out.
Wenn der Browser im Defaultzustand alle Neuerungen und Fehlerkorrekturen verwenden würde, wäre das toll für die Profi-Entwickler, weil sie ihre Websites eh schon immer so gebaut haben, dass sie dann einwandfrei funktionieren müssten. Weniger schön wäre es für die Amateure, weil diese sich, möglicherweise ohne es zu wissen, auf die Fehler der Vorgängerversion verlassen haben.
Wenn es jedoch anders herum läuft, und der Entwickler aktiv entscheiden muss, dass nun die verbesserte Engine verwendet werden soll, ist das toll für alle existierenden Seiten und die Amateur-Entwickler, weil alles so bleiben kann wie bisher. Stagnation als Segen. Der Standardista jedoch ist genervt, weil er bei allen seinen Seiten nun ein zusätzliches Stück Code einfügen muss, nur um die ganzen Bugfixes und Verbesserungen »freizuschalten«.
Der Knackpunkt ist jedoch: Eine von den beiden Nutzergruppen muss aktiv werden und den Switch einbauen, sonst werden bestimmte Teile des Webs in einem bestimmten Browser kaputt falsch anders dargestellt. Und was denkt sich Microsoft, wem es am ehesten zuzutrauen ist, dass sie die aktuellen Enwicklungen verfolgen? Wer ist wohl am ehesten technisch und intellektuell in der Lage, das Meta-Tag einzubauen und die neueste Version freizuschalten? Richtig: die Standards-Leute!
Microsoft denkt offensichtlich: »Sollen sich die ganzen Standards-Querulanten doch freuen, dass wir den Browser fixen. Dann können sie gerade noch schnell diese popelige Zeile Code einfügen! Von den ganzen unwissenden Amateuren können wir das nicht verlangen, denn die schreiben Standard mit t am Ende und wissen nicht einmal, dass es verschiedene Rendering-Engines gibt!«
Und seien wir ehrlich: Ganz unrecht haben sie mit dieser Vermutung nicht. Eine der beiden Entwicklergruppen muss in den sauren Apfel beißen. Und es sieht so aus, als wären das diesmal wir Profis, weil die Amateure einfach zu zahlreich und zu wichtig sind für Microsoft. Und letzten Endes sind auch wir von Microsoft abhängig, denn obwohl die Standards-Browser langsam populärer werden, hat der IE immer noch einen Marktanteil von über 70 Prozent – vergessen wir das nicht!
Ich werde also zähneknirschend diesen Meta-Edge-Kram auf meinen Seiten integrieren, wenn denn alles so kommt, wie es derzeit propagiert wird. Hilft ja nix. Denn sollte der IE 8 einen ähnlich großen Schritt in die Standards-Richtung machen wie der IE7, schont das in mittelbarer Zukunft sehr meine Entwickler-Nerven. Da bin ich dann ganz Pragmatiker.
update 4.3.2008: Alles auf Anfang: Microsoft stellt per default das Verhalten des IE8 auf den Superstandardsmodus um!