Das Microsoft-Community-Get-Together und ich

Bereits die Überschrift dieses Blogeintrags wirft die Frage auf: Warum wurde wohl ein Apple-Fanboy mit starker Affinität zur Open-Source-Welt und Liebe zu Webstandards von Microsoft Deutschlands Community-Manager zu einem sogenannten »Get Together« auf die CeBIT eingeladen? Diese Frage lässt sich so einfach nicht beantworten – trotzdem ist es einen Versuch wert …

Zunächst einmal war ich glücklicherweise nicht allein im »Feindesland« – David Maciejewski von den Webkrauts und natürlich dem Technikwürze-Podcast wurde ebenfalls eingeladen. Um uns herum jedoch ca. 100 Software-Entwickler aus diversen ».NET-« und »Certified-Partner«- und Hastenichtgesehen-Communityprogrammen, kurz gesprochen: Junge Männer, die mit Microsoft-Technologie Software entwickeln, und dies so bewusst tun, dass sie sich zu offiziellen Gruppen zusammengeschlossen haben und gemeinsam mit dem »Microsofties« ein Bier trinken gehen. Oder zwei.

Von daher kein Wunder, dass ich mich etwas deplatziert fühlte – benutze ich doch noch nicht einmal eine richtige produktive Windows-Umgebung, sondern lediglich eine kleine XP-Testpartition auf meinem MacBook für die Internet-Explorer-Testläufe meiner Websites. (Allein diese Tatsache führte bei beiläufiger Erwähnung zu erstaunten Gesichtern – was natürlich auch etwas über das Selbstverständnis aussagt, mit dem Microsoft-Leute gesegnet sind. Aber ja: man kann als Webentwickler ein weitestgehend Microsoft-freies Leben führen. Und ich bin da definitiv nicht der Einzige.)

Nun also: der Grund, warum David und ich als »Ehrengäste« geladen waren und uns einige Stunden mit Microsofts Cloud-Computing-Plattform Azure und Windows 7 beschäftigen durften, war meines Erachtens eine Geste des »Auf-uns-Zugehens«. Wobei mit »uns« die Webstandards-Gemeinde in Deutschland gemeint ist, stellvertretend. Micrsoft hat inzwischen (wahrscheinlich in erster Linie durch die heftigen Reaktionen und Diskussionen rund um IE7 und IE8) gemerkt, dass es durchaus eine große Anzahl von Leuten gibt, die ohne .NET und ohne Expression Studio in der Lage sind, Websites umzusetzen. Und vielleicht ahnen sie auch, dass diese Leute hochprofessionell sind, Bücher schreiben, Zeitungen herausgeben und in vielen (wenn nicht in den meisten) Bereichen im Web den Ton angeben. Und vielleicht dämmert es Microsoft auch, dass ihre »Solutions« in »unseren« Kreisen eher uncool sind und eigentlich gar keine Rolle spielen, wenn man mal von der lästigen Pflicht absieht, den Internet Explorer immer noch unterstützen zu müssen.

Soweit die Erkenntnis. Doch es ist noch ein weiter Weg, bis die modernen Webstandards und Microsoft sich gegenseitig umarmen werden. In all dem, was ich während der Veranstaltung und auch später in einem langen Gespräch im Zug erfuhr, kann ich für mich folgende Beobachtungen über Microsoft festhalten:

  • Open-Source-Software spielt weiterhin keine Rolle. Während des gesamten offiziellen Teils habe ich nicht ein einziges Mal die Worte PHP, Firefox oder Linux gehört.
  • Spezialisierte »Web-Entwickler« sind nicht so richtig vorgesehen. Man versucht vielmehr, klassische Software-Entwickler dazu in die Lage zu versetzen, ihre .NET-Fähigkeiten auch für Websites und Webapplikationen einzusetzen, ob das nun ASP.NET, Silverlight oder Azure ist. Dass man auch große Websites mittels PHP/Python/Ruby-Frameworks oder entsprechenden webbasierten CMSen entwerfen kann, ist nicht so sehr auf dem Radar.
  • Microsoft ist sehr verhaftet in der Welt der Enterprise-Solutions und Intranets, wo CRM und HR (und das ganze Zeugs) wichtig ist. Dass das wilde Internet zum großen Teil aus Open Source, agiler Entwicklung, kleinen Teams und Einzelkämpfern besteht, wird gerade erst begonnen, wirklich wahrzunehmen.
  • Man kann Microsoft niemals als Ganzes sehen. Jede Abteilung, jede Landesvertretung ist eine eigene Firma, die vom Mutterkonzern mal weniger und mal mehr mit Informationen versorgt wird.
  • Microsoft Deutschland weiß selber exakt genauso viel oder wenig über den aktuellen Stand der Dinge (IE8-Release, Win7-Release, Office 14) wie alle anderen. Die erfahren von solchen Dingen auch erst von den Entwicklerblogs und/oder der US-Presse. Der interne Nachrichtenfluss von der Redmond-Zentrale zu den Außenposten hat in den letzten Monaten sehr stark nachgelassen.

David und ich würden wirklich rührend und engagiert empfangen und betreut. Auch wenn nicht ganz klar war, was genau uns zu dieser Veranstaltung führte – es wurde deutlich, dass es Microsoft Deutschland sehr wichtig ist, mit uns in den Dialog zu treten, was wiederum angesichts der relativen Machtlosigkeit der deutschen Firmenabteilung etwas seltsam erschien. Denn: Natürlich konnte mir niemand erklären, was es nun exakt mit Windows Mobile 6.5 und dem enthaltenen Internet Explorer 6 auf sich hat. Natürlich konnte uns keiner genau sagen, wie das nun gehandhabt wird mit der Blacklist des IE8. Sie wussten ja selber keine Details! Und außerdem waren die anwesenden Microsoft-Mitarbeiter größtenteils Community-Manager und »Evangelisten«, aber keine Techniker oder Produktmanager. Die sitzen natürlich in Redmond.

Also: Microsoft Deutschland sucht den Austausch mit den deutschen Webstandardistas, will sich darstellen und ins Gespräch bringen. Das ist ja zunächst eine nette Geste. Was genau sie der Gemeinde jedoch zurückgeben wollen (außer einem leckeren Mittagessen und ein bisschen Plauderei), ist nicht ganz klar. Sicherlich geht es letztlich darum, Produkte zu verkaufen. Aber warum holt man sich gerade die Frontend-Leute ins Boot, wenn es doch viel eher darum ginge, die Backend-Leute von .NET und Azure zu überzeugen? Es bleibt ein wenig rätselhaft. Und ich werde natürlich weiter berichten!