Univers
6. November 2004
[Erstmals veröffentlicht im metamac magazin 45/04]
Einen besseren Namen hätte sich Adrian Frutiger wirklich nicht ausdenken können, als er 1957 die Univers für die Schriftschmiede Deberny & Peignotaus aus der Taufe hob. Die bestechend neutrale – und eben universell einsetzbare – Schrift gilt als die erste bewusst geplante Schriftfamilie. Ganze 21 Schnitte von 39 Thin Ultra Condensed bis 93 Ultra Black Oblique versammelten sich ursprünglich unter dem Familiennamen Univers. (Dieser wird übrigens nach französischer Art ausgesprochen, da Frutiger in diesem Teil der Schweiz ansässig ist.) Bis zu diesem Zeitpunkt gönnten die Schriftgestalter ihren Werken meist nur drei oder vier Varianten – je nach Bedarf wurde noch eine Kursive oder ein Kapitälchen-Schnitt hinzugefügt, die dann oft mehr schlecht als recht zur Grundschrift gepasst hatten. Frutiger hat hier echte Pionierarbeit geleistet. Denn die Univers ist von Haus aus mit sich selber kombinierbar, systematisch gegliedert und somit einfach und flexibel zu handhaben; wenn auch das eigens entwickelte Zahlensystem zur Identifizierung kaum jemand wirklich verinnerlicht hat. Doch dazu später mehr.
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Inzwischen ist die Anzahl der Schnitte auf 28 angewachsen, variiert jedoch stark: Verschiedenste Schrifthersteller und -vertriebe haben sich Lizenzen besorgt und verschiedenste Versionen angefertigt. Einigen davon hat der Sprung ins digitale Zeitalter nicht besonders gut getan. Univers ist also definitiv nicht gleich Univers. Kleiner Tipp: Keinen Fehler beim Schriftkauf macht man, wenn man sich generell an die traditionsreichen Schrifthersteller hält. Das gilt natürlich nicht nur für unseren heutigen Classic Font.
Doch kommen wir zum erfreulichen Teil: Die Univers ist nicht nur universell einsetzbar, sondern in der Gestalter-Szene so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner. Jeder schätzt diese Schrift! Otl Aicher hat sie, neben diversen Lobpreisungen im Buch »typografie«, in seinem legendären Erscheinungsbild für Olympia 1972 verwendet. Und auch Kurt Weidemann ist angetan, genau wie die ganzen anderen Typo-Größen. Warum ist das so? Univers ist die perfekt ausbalancierte serifenlose Antiqua. Als solche ist sie seit nunmehr fast 50 Jahren nahezu unerreicht. Sie ist auch heute noch sehr oft zu sehen, wird durchaus auch in modernen Designs verwendet, im Corporate Design, aber auch in Zeitschriften: Das stylische und mehrfach designpreisgekrönte Wirtschaftsmagazin Econy, welches kurz nach dem Launch zur »brand eins« wurde, setzte bei den Überschriften und Teasern komplett auf die Univers Bold Condensed.
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Es ist der Charme des Neutralen, der die Univers so groß macht. Sie legt sich in keinster Weise fest, ihr Charakter entzieht sich komplett einer bestimmten Kategorisierung. Die Buchstabenformen sind weicher als bei der Helvetica, aber härter als bei der Officina. Der Grauwert ist gleichmäßiger als der einer Franklin Gothic, aber rauher als bei der Frutiger. Diese Aufzählung könnte man noch weiter fortführen. Klare Eigenschaften findet man eher bei den »technischen Werten« der Univers: Ihre Dickte, also die Breite der einzelnen Buchstaben, ist relativ groß. Zumindest beim Roman-Schnitt. Platz sparendes Setzen ist mit der Univers also nicht möglich, zumal dies aufgrund der großen x-Höhe auch vom Zeilenabstand her nicht zu empfehlen ist. Sie braucht einfach Luft zum Atmen.
Natürlich möchte ich an dieser Stelle noch kurz auf das Zahlensystem eingehen, auch wenn es, wie gesagt, kaum jemand verwendet. Jeder Schnitt hat eine Codenummer, bestehend aus zwei Ziffern. Die erste steht für die Fette der Schrift, die zweite für die Dickte. Beide Werte reichen von 3 bis 9, während 5 die Mitte ist. Stimmt zwar nicht mathematisch, aber in der Praxis ist das nicht so schlimm. Die Frutiger 93 ist also sehr fett und extrem schmal. Sollte man meinen. Doch aus unerfindlichen Gründen wird die Dickte in umgekehrter Reihenfolge angegeben: 3 ist sehr weit, 9 ist sehr schmal. Ebenfalls nicht ganz konsequent: Es gibt keine eigenen Ziffern für die kursiven Schnitte. Und das Chaos wird noch perfekter, weil längst nicht alle Schnitte auch tatsächlich vorhanden sind: Es gibt zum Beispiel keine Univers 77 (Black Condensed). Außerdem existieren, wie vorher schon erwähnt, verschiedene Univers-Pakete von verschiedenen Schriftherstellern (Linotype, Agfa, Scangraphics), die auch noch mal unterschiedliche Zusammenstellungen beinhalten. Reicht das? Nein, es kommt noch schlimmer: Natürlich sind zahlreiche sogenannte Bastarde unterwegs, also nachgemachte Schriften, die einen anderen Namen tragen, jedoch beinahe identisch mit dem Original sind. Der bekannteste Fall ist mit Sicherheit die Zurich. Sie ist Teil der berüchtigten CorelDRAW!-Bundles und sowohl aus moralischen als auch aus qualitativen Gründen nicht zu empfehlen.
Trotz all dieser Schwierigkeiten ist die Univers ein unsterblicher und zeitloser Klassiker. Ihre perfekt augeglichenen Formen sowie der unwiderstehliche Grauwert machen sie zu dem, was sie ist: Eine der beliebtesten serifenlosen Schriften, die stets eine gute Figur machen. Und somit natürlich bestens für den Start dieser metamac-Reihe geeignet.
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