Blogs und Mediengedöns (Interview)
20. November 2005
Wenn ich mir eine knappe halbe Stunde Zeit für ein eMail-Interview nehme, will ich auch was davon haben. Geld gab’s nicht, aber dafür an dieser Stelle die obligatorische Zweitverwertung in Form eines Blogeintrags. Es geht um die Seminararbeit von Matthias Thürling, und ich schwadroniere ein bisschen über Blogs und so weiter. Bin ja gerade in Übung darin, allerdings ist eMails schreiben deutlich anstrengender als charmanten, wohnungssuchenden Damen ins Mikrofon zu sprechen.
Le Interview-Text
Hallo Matthias,
eigentlich habe ich nicht die Zeit für ein solch ausführliches Interview. Deshalb gibt’s nur kurze Antworten.
1. Wie groß ist deiner Meinung nach der Einfluss von Blogs auf die Medienlandschaft? Alle Welt berichtet drüber, aber wie werden Sie von den Medien wahrgenommen?
Blogs werden von den deutschen Medien noch eher als skurriles Randphänomen aufgefasst, die Meta-Thematik beherrscht die Berichterstattung. Interessant ist vor allem: »Was sind Blogs? Wer schreibt Blogs? Und Warum?« Es werden noch einige Monate ins Land gehen, bevor die richtigen Fragen gestellt werden: »Was sagen die Blogger zu [Hier aktuelles politisches Thema einsetzen]? Ist das Thema [Hier beliebiges Skandalthema einsetzen] bereits in den Blogs angekommen? Und was sagt [Hier berühmten A-Blogger einsetzen] eigentlich dazu?« Weblogs als Teil der Pressesschau – das ist noch Zukunftsmusik.
2. Bildblog.de behauptet, durchaus Einfluss auf Bild zu haben. Teilst du diese Meinung und siehst du ähnliche Entwicklung in anderen Gebieten?
Blogs stehen derzeit stark unter Beobachtung. Das Thema ist bei den etablierten Medien definitiv angekommen, doch noch traut sich kaum jemand, da offen drüber zu reden oder es gar für seine Leser/Hörer/Zuschauer zu thematisieren. Man fürchtet den Imageverlust, gäbe man zu, sich mit den »privaten Tagebuchschreibern« zu befassen.
3. Können deiner Meinung nach Blogs in Zukunft selbst teil der ganz normalen Medienlandschaft sein? Was müsste dafür noch passieren?
Das ist durchaus möglich, ein Blick nach Frankreich oder die USA geben hier die Richtung vor. Allerdings bedarf es in Deutschland wohl noch einer ganzen Reihe von Skandalen oder wirklich relevanten, großen Stories, um das Thema verlässlich auf dem Parkett zu etablieren. Da die Blogszene aus tausenden von einzelnen Publikationen besteht, ist das alles nicht so greifbar. Es wird ein langer, schwieriger Weg.
Kommen wir zum technischen Teil. Als Entwickler von Loudblog hast du ja inzwischen einiges an Erfahrung gesammelt.
4. Was macht ein gutes Blog-System aus?
Ein gutes Blog-System muss kinderleicht zu bedienen sein und möglichst viele Schnittstellen nach außen anbieten. Das Veröffentlichen eines Beitrages muss so einfach wie nur irgend möglich gemacht werden. Gleichzeitig sollten die Informationen über Schnittstellen wie RSS, Trackback, Pingback, Kommentarfunktion und XML/RPC auf den verschiedensten Kanälen zur Verfügung gestellt werden.
5. Was passiert »hinter den Kulissen« eines Blog-Systems nach dem Drücken des Sende-Buttons?
Text, Bilder, Links und Meta-Informationen wie Datum, Autor und Kategorien werden in die Datenbank gespeichert und sind folgerichtig beim erneuten Aufrufen der Seite sichtbar. Danach wird in der Regel eine Benachrichtigung (sogenannter Ping) an eines oder mehrere Blogverzeichnisse gesendet. Diese checken daraufhin den aktualisierten RSS-Feed und indexieren die neu veröffentlichten Inhalte. Gleichzeitig kann ein Trackback- oder Pingback-Ping gesendet werden, falls sich der Artikel inhaltlich auf einen bestimmten Beitrag in einem anderen Weblog bezieht. Diese Benachrichtigung erscheint dann in diesem Blog wiederum als Verweis auf den gerade erstellten Artikel.
Wagen wir noch einen Blick in die Zukunft:
6. Wenn ein Medienmagazin das Blogging bereits dreimal totgetrampelt hat, wird als nächstes gern das Podcasting erwähnt. Warum sollen die Menschen Podcasts hören, wo doch das Einschaltradio quasi tot ist.
Es hat einen Grund, warum das Einschaltradio tot ist: Die Menschen wollen sich nicht länger vom Radio vorschreiben lassen, wann sie etwas zu hören haben. Man schreit nach Flexibilität und eigener Programmgestaltung. Das Einschaltradio ist tot, und der gesamte Live-Gedanke liegt auf dem Sterbebett – Sport- und Showveranstaltungen einmal ausgenommen.
7. Welche Probleme gibt es für Podcaster?
Viele. Aber alle sind lösbar. Bis auf das Spielen von GEMA-Musik. Aber darüber knapp zu berichten, ist nicht möglich, ohne zu stark zu vereinfachen. Die Frage ist mir zu allgemein, sorry.
8. Kann Videocasting genauso ein Jedermann-Trend werden wie Blogging und Podcasting?
Videocasting ist auf einem guten Weg, allerdings wird es nie solche Ausmaße annehmen wie Blogs. Bereits beim Podcasting gibt es jede Menge technische Hürdenzu überwinden. Die verdreifachen sich beim Video noch einmal. Das ist nichts für Anfänger. Ein weiterer Aspekt: Podcasting ist ein Pendler-Medium in einer Pendler-Gesellschaft. Ich kann nebenbei hören, beim Auto- oder Zugfahren. Videopodcasts verlangen die volle Aufmerksamkeit. Das kostet wertvolle Zeit, die viele nicht haben.
Eine letzte Frage relativ ab vom Thema: Hast du eine Ahnung wo man Zahlen über die Entwicklung der Anzahl von Blogs und/oder Podcasts in Deutschland/Europa herbekommt. Google spuckt dabei überhaupt nix sinnvolles aus.
Schwierig, wenn nicht unmöglich. Wäre interessant zu wissen. Es gab bei blogstats.de mal entsprechende Grafiken, aber inzwischen gehörten diese Zählungen wohl zum Firmengeheimnis ;-)