Baskerville Old Face
14. März 2005
Achtung! Heute wird’s historisch. Kommen wir zu einer der bekanntesten Schriften überhaupt, und zwar aus der Gattung der Übergangs-Antiquas, oder auch Barock-Antiquas. Diese sind gewissermaßen das Bindeglied zwischen der optimal lesbaren Renaissance-Antiqua und der statisch-festlichen Klassizistischen Antiqua.
Die Baskerville (ohne Old Face) ist das Werk des britischen Typografen John Baskerville, der diese Schrift im Jahre 1757 gestaltet hat. Es gibt inzwischen unzählige Varianten und Interpretationen der Baskerville. Damit ist sie das klassische english typeface. Eine der vielen Varianten ist die Baskerville Old Face. Sie wurde 11 Jahre später, nämlich 1768, von Isaac Moore geschnitten und ist ein wenig verspielter als das Original.
Die deutsche Schriftschmiede Elsner+Flake hat sich im Jahre 2000 dieses Klassikers angenommen und ihn in digitaler Form neu auf den Markt gebracht. FontShop verteilt ihn nun kostenlos. Und will damit Geschmack auf die anderen 12 Schnitte machen? Nein! Die Baskerville Old Face besteht nur aus einem Schnitt. So war das früher! Aber gucken wir doch mal genauer hin.
Charakteristik
Wenn wir einen Vergleich zwischen verschiedenen Interpretationen der Baskerville anstellen, so fällt die Old Face deutlich aus dem Rahmen (ganz oben).
Hier hat jemand keine Kopie erstellt, sondern eine eigenständige Schrift entwickelt, die einen ganz besonderen, rauen Charme besitzt. Wir reden hier nicht von einer aalglatten und möglichst in sich homogenen Schrift. Die Baskerville Old Face hat Charakter. Und zeigt diesen auch. Das Schriftbild ist sehr lebendig, ja, auch ein wenig unruhig. Das liegt vor allem an den sehr wuchtigen und fetten Versalien. Natürlich fällt das in deutschen Texten noch stärker auf, da hier naturgemäß deutlich mehr Großbuchstaben vorkommen.
Doch auch in englischen Texten kommt man um die herbe, historische Note nicht herum. Wäre ja auch seltsam, sähe man einer 250 Jahre alten Schrift ihre Zeit nicht an.
Ah ja. Die Buchstaben im Detail. Wer regelmäßig diese bescheidene kleine Kolumne liest, wird wissen, wieviel Spaß die Schriftdesigner mit dem kleinen g haben. Das war damals auch nicht anders. Sehr neckisch schlängelt sich hier die untere Schleife. Ebenfalls auffällig: Der Querstrich des großen Q. Auch so eine Typografen-Spezialität. Ansonsten sehen wir bei allen Buchstaben deutlich ausgeprägte, spitze Serifen mit geschwungenem Ansatz, die jedoch unten ein gerades, festes Fundament besitzen.
Umfang/Ausbau
Wie gesagt: Ein kursiver oder fetter Schnitt ist nicht drin! Wie hat man das eigentlich früher gemacht, wenn man etwas hervorheben wollte? Nun, man hat sich beholfen, indem man öfter den Versalsatz bemühte (nicht zu verwechseln mit den meist falschen Kapitälchen!). Auch das Sperren war eine beliebte Methode, einzelne Wörter hervorzuheben. Oder man hat einfach eine passende Kursive einer anderen Schrift verwendet. Traut sich heutzutage fast keiner mehr. Schade eigentlich!
Keine Besonderheiten sind von der Sonderzeichen-Front zu verwelden. Dankenswerterweise haben Frau Elsner und Herr Flake uns ein Euro-Zeichen spendiert. Auch eine fi- und fl-Ligatur ziert die Baskerville Old Face. Ansonsten: das Übliche. Hübsch anzusehen ist jedoch das Pfund-Zeichen. Logisch.
Die Baskerville Old Face in der Praxis
Mit dem unten stehenden Text sehen wir schon ein ideales Einsatzgebiet für die Baskerville Old Face: Gedichte und Texte, die alt und edel wirken sollen. Nicht so kitschig wie eine englische Schreibschrift, nicht so sachlich wie eine Times, sondern sehr, sehr sophisticated. Wer diese Schrift bewusst einsetzt, kann Bildungs-Punkte gut machen und beweist guten Geschmack – mit einer Portion understatement.
Gleichzeitig sehen wir jedoch auch, wofür sich die Baskerville Old Face definitiv nicht eignet: der Bildschirm. Zu filigran die Formen, zu stark der Kontrast in der Strichstärke, zu fragil die Verbindungselemente. Wie hätte man anno 1768 auch ahnen können, dass die kunstvollen Entwürfe einst in Pixel zerlegt und mit grausamen Anti-Aliasing künstlich geglättet werden?
Rechtliches
Ich zitiere gerne noch einmal die Mail vom Fontshop, die ich auf eine Anfrage bezüglich der rechtlichen Situation gesendet hatte:
So this means you can use the FF Absara Light for your project, and use it as if it was a font purchased of the website, or one already found on your computer. The fonts are still allowed to be used, even after they are no longer offered, for free.
Das gleiche gilt auch für die Baskerville Old Face.