Das Aside Magazin auf dem iPad …
13. Mai 2011
… oder der vorläufige Beweis, dass man mit reiner HTML5-Technologie ein ebenso reichhaltiges multimediales Coffeetable-iPad-Magazin produzieren kann wie mit nativen Methoden, nur gefühlte 800 Prozent langsamer.
Schick ist sie ja in der Tat, die Nullnummer von Aside, einem Projekt von zwei Berliner Designern. Alle branchenüblichen Magazin-Technik-Spielereien sind vorhanden. Guckt man sich das Promovideo an, kann man das angepriesene Produkt fast nicht von einer aktuellen WIRED-Ausgabe unterscheiden. Der Knackpunkt: Das Magazin ist keine App aus dem App-Store, sondern eine reguläre (wenn auch hochgradig gepimpte und spezialisierte) Website, die mit HTML5-Technologien gebaut wurde. Genau der heilige Gral, den wir Webstandardistas seit Jahren predigen: Wozu Objective-C und proprietäre Appstore-Scheiße? Geht doch auch alles mit HTML5, CSS3 und JavaScript, Mann! Und läuft dann auch automatisch auf allen Browsern … Jaja, so sind wir.
Aside sieht richtig (richtig!) schick aus, aber es fühlt sich an wie Windows XP auf einem Pentium 60 mit 32 MB Arbeitsspeicher: Ruckelig ohne Ende, zumindest auf dem iPad 1. Auf dem iPad 2 geht es zwar merklich besser, erreicht aber niemals auch nur ansatzweise die Flüssigkeit von nativen Anwendungen wie beispielsweise der Frankfurter Rundschau. Doch daran muss man sich in der Realität messen lassen. Die Faszination am iPad entsteht unter anderem, weil der Nutzer keine Rücksicht auf die Technik nehmen muss. Doch bei Aside wird selbst meine Rücksicht auf eine harte Probe gestellt:
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Jemand musste es probieren! Und ich hätte es liebend gerne auch selber probiert! Aber das Experiment ist in seiner jetzigen Form auf Messers Schneide. Drei Fragen spielen eine Rolle:
- Kann man es vertreten, dass das Magazin nur auf zukünftigen Geräten akzeptabel läuft?
- Kann man durch Code-Optimierungen an der jetzigen Form des Magazins noch merklich Performance rausholen?
- Ist das Magazin einfach nur über-designed und könnte mit schlichterem Layout wesentlich flüssiger funktionieren?
Und dahinter steckt die alles entscheidende Frage, die ich mich noch nicht zu beantworten getraue: Sollte man Aside als Beweis für die derzeitige Unmöglichkeit eines HTML5-basierten Magazines interpretieren oder als ersten handfesten Beweis der prinzipiellen Möglichkeit?
(Jedenfalls ahne ich gerade, warum die meisten nativen Magazine auf vorgerenderte Texte in Bitmap-Form zurückgreifen. Hier wird massiv Speicher zugunsten von Performance eingetauscht – eine Kosten-Nutzen-Rechnung ohne Rücksicht auf Semantik oder Code-Eleganz. Offenbar ist dynamisches Fontrendering eine anspruchsvolle Tätigkeit für den schmalbrüstigen ARM-Prozessor des iPads.)
update Dezember 2011: Dank der verbesserten JavaScript-Engine unter iOS5 und kleineren Optimierungen des Codes läuft Aside unter dem alten iPad 1 inzwischen etwas flüssiger!