Meine zerstörte iCloud-Mediathek

Meine iTunes-Bibliothek ist ganz schön alt. Ich stamme ja noch aus einer Generation, die mit dem Mantra „Rip. Mix. Burn.“ etwas anfangen konnte. Meine iTunes-Musiksammmlung besteht seit 2001 und hat seitdem alle Versionen von iTunes mitgemacht, wurde also schon ca. ein Dutzend Mal beim ersten Start einer neuen iTunes-Version „aktualisiert“, wie es so schön heißt.

Sie enthält allerlei digitale Kuriositäten aus den unterschiedlichsten Quellen. Die unorthodoxeste Form, wie ich an eine Handvoll digitaler Privatkopien gekommen bin, dürfte Megaradio gewesen sein. Wer kennt es noch? Eine Zeitlang wurde der Videotext-Datenstrom von NBC GIGA für das Streamen von MP3-Daten missbraucht. Mit einer TV-Karte am PC und einer entsprechenden Software konnte man mitschneiden und die mies komprimierten Musikstücke bei sich abspeichern.

Genug der Nostalgie. Mit der Software iTunes war ich, wie viele andere auch, in den letzten Jahren immer unglücklicher. Das lag vor allem daran, dass Apple nicht mutig genug war, die drölfzig Bestandteile, die iTunes auf dem Mac in sich vereint, aufzutrennen und separat weiterzuentwickeln. Im Grunde hätte man schon vor einigen Jahren getrennte Apps für den Store, die Videos und so weiter bauen müssen, wie das unter iOS ja geschehen ist. iTunes auf dem Mac ist überladener Schrott. Doch das Gegenteil ist passiert: Auch das neue Apple Music ist noch in iTunes 12 reingeflascht worden und verrichtet dort als eine von zwanzig weiteren Funktionalitäten seinen Dienst.

Ich mach das ja immer alles mit, ich bin so. Ich habe vor vier Jahren bei der Einführung von iTunes Match die Gelegenheit genutzt, meine Musiksammlung komplett in die Cloud zu laden, um sie ohne umständliches Kabelgesynce auch auf anderen Macs und meinem iPhone hören zu können. Nebenbei wurde die Klangqualität meiner abenteuerlicheren MP3s aufgewertet – auch nicht schlecht. Und iTunes Match funktionierte so gut, dass ich nach kurzer Zeit die Originaldateien von meinen iTunes-Bibliotheken gelöscht hatte, um Platz zu sparen. Das war risikoreich, aber es hat funktioniert. (Hinweis: Man soll Clouddienste nicht als Backup verstehen! Warnung! In diesem Falle hat es aber geklappt.)

Irgendwann letztes Jahr wurde mir iTunes Match zu teuer, und ich habe zwei Dinge gemacht: Alle Stücke von der iCloud wieder lokal in iTunes zurückgespielt, und dann alles zu Google Musik geschoben, weil dies kostenlos ist. Hat auch gut funktioniert!

Und zu meinem Glück habe ich dann vergessen, die Musik wieder aus iTunes heraus zu löschen! Zu. meinem. Glück. Nun hatte ich meine alte Musiksammlung wieder offline in iTunes, mit allen Kuriositäten, einmal durch iTunes Match gespült, und halbwegs intakten Playcounts, obwohl mir diese gar nicht so wichtig sind wie manchen anderen Nutzern.

Wir spulen in die Gegenwart vor: Ich melde mich vor einigen Tagen bei Apple Music an, um einerseits den Streamingdienst und beats1 auszuprobieren, andererseits natürlich die iTunes-Match-ähnliche Funktion wieder zu bekommen und meine gute alte Musiksammlung abermals in eine Cloud zustecken. Diesmal unter dem Namen „iCloud-Mediathek“. Mit dieser hatte ich im Rahmen der neuen Fotos-App insgesamt gute Erfahrungen gemacht, auch was das Syncing angeht. Allerdings habe ich bei „Fotos“ große Vorsicht walten lassen, was die Übertragung und die Umstellung meiner alten iPhoto-Bibliothek angeht.

Was soll ich sagen? Die Umstellung auf iCloud-Mediathek für Musik war eine absolute Katastrophe. Während viele Nutzer von vereinzelten falschen Coverfotos berichten, hat es mir fast die gesamte Struktur meiner Songs, Künstler, Alben, Cover und Verfügbarkeiten zerhäckselt:

So stelle ich es mir vor, wenn einer die Datenbank-Einträge einer Musiksammlung einmal mit einem Zufallsgenerator durchwürfelt. “The Truth is in the Cloud”, sagte Steve Jobs einmal über das Konzept des neuen iCloud. Lächerlich. “The Truth is in the Time Machine Backup” trifft es hier eher! Deshalb habe ich jetzt die Musik-iCloud komplett leergemacht, auf allen Geräten ausgeschaltet, die ganzen lokalen Bibliotheken gelöscht, und werde am Montag die alte iTunes-Bibliothek aus dem Backup wieder importieren. Allerdings vorsichtshalber nicht mit der offiziellen XML-Library-Datei, sondern wirklich die nackten Musikdaten manuell in iTunes lokal reinziehen. Mal sehen. (Wie gesagt: Playcounts interessieren mich kaum)

Was habe ich falsch gemacht?

Diese Frage sollte nicht nötig sein, denn natürlich ist Apple schuld, die Idioten! It just works, richtig? Dennoch trifft mich eine gewisse Mitschuld, denn ich habe mich durch die positiven Erfahrungen mit iTunes Match und der Fotos-Mediathek blenden lassen. Ich habe in kurzen zeitlichen Abständen drei Macs und drei iOS-Geräte auf die neue Musik-Cloud losgelassen, ohne jeweils abzuwarten, dass die Übertragung der Titel komplett und integer verlaufen ist. Kaum schien es komplett zu sein, habe ich die lokalen Dateien gelöscht. Aber da war es schon zu spät, und die “Wahrheit”-Version aus der Cloud war verhunzt und hat alle ans Ökosystem angeschlossenen Geräte infiziert. Die Bibliotheken von 6 Geräten haben sich gegenseitig kaputt gesynct.

Deshalb meine empfohlene Sicherheitsmethode beim Umstellen:

  1. iCloud-Mediathek noch nicht aktivieren, auf keinem Gerät.
  2. Eine sichere Offline-Version der Mediathek auf einem Mac erstellen oder sicherstellen, dass sie existiert.
  3. iTunes Match abschalten, falls vorhanden, auf jedem Gerät.
  4. Die in 2) erstellte Offline-Mediathek auf einem externen Datenträger backuppen.
  5. iCloud-Mediathek auf dem Mac von 2) aktivieren und alle Titel hochladen/erkennen lassen. Das kann dauern.
  6. Überprüfen, ob die gesamte Mediathek in der Cloud vorhanden ist, aber zunächst noch nicht lokal die Dateien löchen.
  7. Die Sache ein bis zwei Tage ruhen lassen. (Nur zur Sicherheit, eher Voodoo.)
  8. Auf allen anderen Geräten (am besten nacheinander!) die jeweiligen lokalen Mediatheken komplett löschen und im Anschluss die iCloud-Mediathek aktivieren und warten, bis alle Titel erscheinen und streambar sind. Anzahl der Titel vergleichen!
  9. Erst jetzt, wenn der initiale Sync abgeschlossen ist und alle Apps zur Ruhe gekommen sind, kann man wohl gefahrlos Titel zur Mediathek hinzufügen – entweder von Apple Music aus, oder als manueller Import von Dateien.

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