Interview mit Yanone

yanone

Passend zur Freien Schrift der Woche #9, der Yanone Kaffeesatz, habe ich für die Leser von praegnanz.de per eMail ein kleines Interview mit dem Schöpfer dieser großartigen Headlineschrift geführt. Zurzeit ist Yanone übrigens in Jordanien unterwegs, sein interessantes Reiseblog findet sich hier. Doch legen wir los mit den Fragen!

praegnanz.de: In der deutschlandweiten Gestalterszene bist Du ja noch nicht so bekannt. Vielleicht klärst Du uns kurz ein bisschen auf; Wie bist Du zum Design gekommen? Woher hast Du Deine Kenntnisse?
Yanone: Okay. Mit 14 habe ich angefangen zu programmieren. Als mich 1997 das Internet endlich erreicht hatte, habe ich für meine kleinen Programme angefangen, Webseiten zu basteln. Bald aber hat mich Webdesign viel mehr interessiert als die sowieso ziemlich sinnlosen Programme, und so folgten ein paar Jahre Webdesign mit einigen Aufträgen. Währenddessen wurde zusätzlich mein Interesse für Printdesign geweckt, wo ich nach ersten Gehversuchen mit 16 bei einer Systemtechnikfirma in Dresden und danach dem fast schon obligatorischen Abi-Zeitungs-Alleingang seitdem hängen geblieben bin. Und daraus abgeleitet schließlich stammt meine Faszination von Buchstaben. Den letztendlich ausschlaggebenden Anstoß zur Schriftgestaltung aber hat ein Studienkollege gegeben, der mir in der Anfangsphase das Gefühl für den einzelnen Buchstaben gegeben hat. Mit dieser Ausnahme habe ich mir immer alles autodidaktisch beigebracht, mit ein bisschen Hilfe aus dem Internet und ein paar Büchern.

Hast Du auch in deinem aktuellen Day-Job viel mit Schriften zu tun?
Ja, in meinem aktuellen Day-Job als Visuelle-Kommunikations-Student in Weimar habe ich viel mit Schriften zu tun :). Also mal im Ernst: Ich bin 22 und im dritten Semester. Ich habe aber an der Uni schnell gelernt, dass die wirklich wertvollen Sachen nicht als Aufgaben für die Professoren entstehen, sondern zu Hause und für einen selbst, und so arbeite ich für die Uni oft nur mit halber Kraft, um für meine eigenen Arbeiten Vollgas geben zu können. Außerdem wird Schriftgestaltung bei uns garnicht unterrichtet.

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Schriftgestaltung ist eine sehr aufwändige und respekteinflößende Disziplin. Wie lange hast Du bis zu ihrer Veröffentlichung an der “Kaffeesatz” gearbeitet?
Ungefähr anderthalb Jahre. Aber nicht ununterbrochen, man muss zwischendurch so einen Schriftentwurf auch mal längere Zeit ruhen lassen. In den Pausen wird das Auge weiter geschult, und wenn man das nächste Mal draufschaut, ändert man einige Sachen, die einem vorher nicht aufgefallen sind.
Da es meine erste komplette Schrift ist, wollte ich sie als “Anfängerstück” eigentlich erst nicht veröffentlichen. Mein bester Freund hat mir dann aber mal die Leviten gelesen, woraufhin ich mich mit erneuertem Ehrgeiz nochmal hingesetzt habe und das Kerning und den Feinschliff fertiggestellt habe, um sie doch veröffentlichen zu können.

Wie bist Du beim Entwurf vorgegangen? Gab es Bleistift-Skizzen oder entstand alles direkt digital am Rechner?
Immer mit Bleistiftskizzen. Wer sich gleich an den Rechner setzt und loskurvt, bei dem zeigen sich meist schnell grobe Fehler. Kein Computer kann Kurven so schön zeichnen wie die menschliche Hand und kein Buchstabe sieht am Bildschirm aus wie auf dem Papier. Aber ich zeichne nicht alles per Hand. Wenn das Gerüst steht, wird am Computer weitergemacht. Aber auch wenn ich mir mittendrin bei einem Buchstaben nicht mehr sicher bin, wird er erstmal wieder aufs Papier freigelassen, bis alle Zweifel beseitigt sind.

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Welche Software hast Du eingesetzt, und hat das alles problemlos funktioniert? Vielleicht kannst Du uns auch ein paar Praxistipps geben!
Für die kleine Stundentenbrieftasche gibt es Fontforge, dass über Sourceforge.net als kostenlose Open-Source-Software angeboten wird, auch für Windows und Mac OS X unter X11. Es enthält alle professionellen Komponenten von Fontlab und sogar noch einige Dateikompatibilitäten für exotische Schriftformate für Unix und einige Maschinen. Mal eben einen älteren PC mit Linux aufgesetzt (ich empfehle Fedora), Scanner dran und schnell hat man einen funktionsfähigen, komplett softwarekostenbefreiten Schriftarbeitsplatz. Da unsere Freunde aus der Open-Source-Gemeinschaft jedoch generell wenig Zeit haben, Arbeit in Softwareergonomie zu stecken, bedient sich das Programm extrem hakelig und ist eher dann geeignet, wenn fast alles als Skizzen vorliegt, die nur noch in Vektoren nachgezeichnet werden müssen.
Für wirklich reibungslose Arbeit gibt es jedoch zu Fontlab eigentlich keine Alternative. Das werde ich mir jedenfalls kaufen, bevor ich die erste kommerzielle Schrift veröffentliche. Dann gibt es noch Macromedias Fontographer, aber das Programm entstammt noch der Bronzezeit und ist deshalb nicht wirklich zu empfehlen.

Es gibt sehr viele Display- und Headline-Fonts, die man für teures Geld erwerben muss. Die meisten davon sind qualitativ minderwertiger als die “Kaffeesatz”. Wieso versuchst Du nicht auch, Deinen gelungenen Entwurf zu Geld zu machen?
Das werde ich sicher tun. Aber ich habe es für besser gehalten, die erste Schrift kostenlos zu veröffentlichen. Einerseits freuen sich die Menschen darüber und es ist dem Bekanntheits- und Verbreitunsgrad zuträglich, andererseits ist das meine Art, mich bei der Open-Source-Gemeinde zu bedanken, deren teilweise großartige Software ich täglich benutze.
Außerdem habe ich wie Du auch einen “Spenden”-Button auf meiner Homepage, und so möchte ich hiermit alle Grafikdesigner auffordern, die meine Schriften mögen und bei geldbringenden Projekten verwenden, sich mit einem kleinen Beitrag zu revanchieren.

In Deinen Arbeiten sieht man häufig Fonts im coolen 60er-Jahre-Retro-Look. Planst Du, auch eine solche Schrift zu entwerfen, oder würdest Du als nächstes lieber einen Schriftsatz gestalten, die sich gut für den Lauftext eignet?
Ja und ja. Eine kleine Reihe Retro-Schriften liegt schon viertel- oder halbfertig in der Schublade, die ich je nach verfügbarer Zeit vielleicht bald veröffentlichen könnte. Ich habe eine extreme Liebe für die Schriftgestaltung der DDR entwickelt, wo in den 60ern bis 80ern großartige Arbeit vor allem im Displaybereich geleistet wurde. Ein Teil meiner Laufbahn wird hoffentlich beinhalten, ähnlich wie House Industries in Amerika, diese alten Schriften zu konservieren, zu überarbeiten und der computerisierten Menschheit wieder zur Verfügung zu stellen. Was Du gesehen hast, sind bis jetzt jedoch lediglich einzelne Logotypes, hinter denen kein Schriftentwurf steckt.
Trotzdem habe ich, wie Du richtig angenommen hast, vor kurzem die Arbeit an einer Leseantiqua-Familie aufgenommen, die auch verschiedene optische Größen für sehr kleinen, normalen und Headline-Text beinhalten soll. Aber damit würde ich nicht vor 2007 rechnen.

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Und zum Schluss: Auf welche Schriften greifst Du generell immer wieder gerne zurück, wenn ein neues Projekt zu gestalten ist? Deine persönliche Top 5:
In ungeordneter Reihenfolge, denn jedes Projekt erfordert andere Schriften:

  • Kosmik von den LettError-Brüdern für alles, was mit Kindern oder Comics zu tun hat (FontShop)
  • Van Dijck für Romane. Noch nie haben für mich Buchstaben so sexy auf dem Papier gestanden (Agfa/Monotype). Als ich das Buch “Manieren” des in Deutschland lebenden äthiopischen Prinzen Asfa-Wossen Asserate (Die andere Bibliothek, Frankfurt) gelesen habe, konnte ich mich an manchen Stellen garnicht auf den Inhalt konzentrieren.
  • Unibody 8 von Underware als Pixelfont für Webseiten (kostenlos, www.underware.nl)
  • Alle Schriften des Brasilianers Eduardo Recife von Misprintedtype, wenns mal dreckig aussehen soll (www.misprintedtype.com)

Mehr fällt mir grad nicht ein. Im Übrigen versuche ich oft, klassische Serifenschriften einzusetzen an Stellen, wo Andere mit der Bemerkung “altmodisch” lieber moderne Grotesken seinsetzen. Aber Grotesken sind weiter nichts als Mode, Fashion. Wer sie ständig einsetzt, bekommt nicht mit, dass er sich im Grunde in einen langweiligen Einheitsbrei reinsetzt. Mit viel Gefühl kann man eine Antiqua wie die Garamond mindestens genauso modern aussehen lassen wie alles, was von Spiekermann & Co gerade so rauskommt. Es muss nicht immer Fago oder Dax oder Thesis sein, obwohl das alles großartige Schriften sind. Leider sieht’s der Kunde meist anders.
Als Leseschrift halte ich eine Serifenschrift für fast unausweichlich. Die Gill Sans und die Rotis lehne ich als total verschroben ab. Bei der Rotis fehlt meist die Hälfte vom Buchstaben. Aber das ist Geschmackssache.