Webvideo hängt in der Schwebe (update)
2. Februar 2010
Wir modernen Webdesigner stecken manchmal ganz schön in der Klemme. Nämlich immer dann, wenn es darum geht, von einer ehemals okayen Technik zu einer neuen, viel cooleren Technik zu wechseln, der ganz bestimmt die Zukunft gehören wird, die aber in der Gegenwart nur sehr unzureichend unterstützt wird.
Zum Beispiel Videofilme im Web. Heilfroh waren wir, als wir das direkte Einbinden von WindowsMedia, QuickTime und RealVideo sein lassen konnten und komplett auf Flash setzten, weil das nun mal 97% der zu erwarteten User installiert hatten. Seit Flash dann auch noch in der Lage war, höherqualitative Videoformate wie On2 VP6 und natürlich H.264 abzuspielen, darüber hinaus schicke Playerlösungen wie JW Player und FlowPlayer auftauchten, wähnte man sich schon im Pragmatismus-Himmel. Doch das ungute Gefühl blieb irgendwie: Flash ist eben doch eine recht schrottiges Browser-Plugin, welches verschwenderisch mit Systemressourcen umgeht und häufig abstürzt. Das gilt vor allem für Mac OS X, denn unter Windows ist das Abspielen von Videos tatsächlich auch hardwareunterstützt möglich.
Seit iPhone, Android und iPad jedoch als »Casual Surfing«-Plattformen immer wichtiger werden, ist das Fehlen von Flash auf diesen Systemen eine willkommene Gelegenheit, das Adobe-Plugin als von Grund auf böse, proprietär und crappy zu bezeichnen. Recht so. Als Alternative wird stets HTML-5-Video genannt, und wirklich eindrucksvolle Tech-Demos unterstützen diese Perspektive.
Allein, zu diesem Zeitpunkt ist das noch ganz schön weit weg von der Praxis. Wenn ich exakt heute einen Kunden habe, der ein oder mehrere Videos auf seiner Website anbieten möchte, komme ich ganz schön ins Rudern, denn:
- HTML-5-Videos werden nur von dem neusten Safari, dem allerneusten Firefox und dem aller-allerneusten Google Chrome unterstützt.
- Das lizenzfreie OGG-Videoformat ist zwar technisch halbwegs okay, aber wird unter Safari niemals,
unter Chrome nur vielleicht, und unter Internet Explorer mit 85-prozentiger Sicherheit nicht unterstützt. - Das technisch überlegene H.264-Format ist eine formidable Lösung, weil man zum Abspielen sogar eine Flash-Fallbacklösung für ältere und uncoole Browser bauen kann, doch die unklare Lizenzsituation verhindert das massenweise Hochladen von H.264-Videos auf den eigenen Server – als seriöser Ratgeber meiner Kunden kann ich das derzeit nicht verantworten, solange nicht eine klare Aussage getroffen wird, wie kleine Unternehmen mit nur wenig Web-Videotraffic das mit dem MPEG-Konsortium regeln können.
Bleibt die Erkenntnis, dass man im Januar 2010 nur drei halbgare Lösungen anbieten kann:
- Auf traditionelles Flashvideo mit On2 VP6 setzen und mobile Nutzer ausschließen.
- Auf H.264 setzen (HTML 5 inkl. Flash-Fallback) und in 11 Monaten neu überdenken, wenn die Ausprobierphase für H.264-Anbieter endet.
- Den Kram bei YouTube raufladen, um alle Plattformen (inkl. iPhone, iPad und Android) abzudecken. Wenn einen das 10-Minuten-Limit nicht stört. Und natürlich die Sonderbehandlung, die YouTube im Gegensatz zu anderen Videohostern bei den mobilen Plattformen erfährt.
Alles andere als erquicklich.
update 4.2.2010: H.264 bleibt bis Ende 2016 lizenzkostenfrei für Gratis-Videos im Internet