Gentium

Gentium

Victor Gaultney wollte mit der Gentium eine Schrift entwerfen, die alle Buchstaben und Sonderzeichen möglichst vieler Sprachen und Schriftsysteme auf homogene Art in sich vereint, um dem Anspruch eines typeface for the nations gerecht zu werden. Auf der ganzen Welt sollten die Menschen eine kostenlose Schrift verwenden können, um anspruchsvolle Typografie zu betreiben – egal, wie ausgefallen und selten die Zeichensysteme ihrer Schriftsprachen auch sein mögen. Soweit der ethnisch-weltpolitisch korrekte Ansatz.

Folgerichtig enthält die Gentium in der aktuellen Version über 1.500 Glyphen und dürfte damit an der Spitze liegen, was die Unterstützung von Unicode-Zeichen angeht. Es gibt kein kroatisches, finnisches oder altgriechisches Sonderzeichen, vor dem die Gentium kapitulieren würde. Das ist der Grund dafür, dass Gaultney, bevor er Ende 2000 die ersten Skizzen machte, erst einmal zwei Jahre lang Schriftforschung betrieben hatte, um all die Buchstabenformen zu sammeln, die er in die Gentium zu integrieren plante.

gentium

Eineinhalb Jahre später, im September 2002, erschien dann die erste Version der Gentium im Internet und gewann die Hochachtung der Typografie-Welt. Einige Auszeichnungen und 20.000 Downloads später wird die Gentium nun endlich den Lesern von Prägnanz & Pragmatik vorgestellt.

Charakteristik

Wir haben es hier mit einer weichen, organischen und sehr individuellen französischen Renaissance-Antiqua zu tun. Es gibt eigentlich keine Schrift, die der Gentium wirklich ähnlich sieht. Das liegt vor allem an Ihren deutlichen Strichstärkenkontrasten, die – zusammen mit der Ausgestaltung der Serifen und An- und Abstriche – stark an das Schreiben mit der Breitfeder erinnert.

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Die Gentium ist generell sehr gut lesbar und technisch einigermaßen sauber umgesetzt. Sie hat einen spürbaren Drang in die Leserichtung, selbst die Punkte sind abgeflacht und schräggestellt. Beim Lesen bildet die Gentium prägnante Wortbilder und ist von unverwechselbarem Charakter – nicht ohne einen gewissen historischen Charme. Die einzelnen Zeichen sind sehr homogen, es gibt keinerlei Star-Allüren bei einzelnen Buchstaben.

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Die italic-Variante ist äußerst gelungen. Sie läuft etwas schmaler und hat ein eigenständiges Schriftbild, das dennoch gut mit der Gentium regular harmoniert. Großartig!

Umfang

Bisher sind leider nur zwei Schnitte vorhanden: regular und italic. Irgendwann 2005 soll es dann bold und bold-italic geben. Eine serifenlose Variante steht viel weiter hinten auf dem Fahrplan.

Über die vielen Glyphen muss ich nicht mehr viel berichten. Dennoch ist die Anzahl der Ligaturen überraschenderweise eher unterdurchschnittlich. Auch echte Kapitälchen sowie Mediävalziffern sucht man vergeblich. Ganz klar: Die Gentium ist nicht mit allen Spitzfindigkeiten ausgestattet, die einem Typografen so einfallen können. Man darf eben nie vergessen, dass sie kostenlos angeboten wird.

Die Gentium in der Praxis

Die filigranen Details in den Formen der Gentium kommen vor allem im hochauflösenden Druck zur Geltung. Bei Tintenstrahl-Ausdrucken auf minderwertigem Papier neigt die Gentium zur unsauberen und unschönen Darstellung. Auch am Bildschirm sollte man die Gentium eigentlich nur für Headlines ab einem Schriftgrad von ca. 24 Pixel verwenden. Hier ist also Vorsicht angesagt!

gentium

Wie oben bereits erwähnt, ist die Gentium keine besonders modern wirkende Schrift. Ein Skateboard-Magazin oder ein New-Economy-Geschäftsbericht ist demnach vielleicht nicht das richtige Zuhause. Doch in der belletristischen Buchtypografie oder beim Gestalten der Festschrift zu einem hohen runden Geburtstag kommt die Gentium wie gerufen.

Rechtliches

Gentium darf völlig frei als Schrift eingesetzt werden, solange sie nicht verändert wird. Einzige Ausnahme: Those wishing to include Gentium with a commercial product or bundle it with other items for sale, however, would likely be required to pay licensing fees.

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