Werden Touch-Tablets das Webdesign verändern?

Ich weiß, so langsam wird das hier zum monothematischen iPad-Blog. Sei’s drum, ist ja mein eigenes, da kann ich glücklicherweise sowieso machen, was ich will.

Dass das iPad zum Surfen ein echter Hit ist, stellt niemand ernsthaft in Frage. Erst neulich im gemeinsamen Ferienhaus-Urlaub mit Freunden habe ich das Gerät am ersten Abend kommentarlos mal locker auf den Wohnzimmertisch gelegt und kam dann die folgenden Tage nur noch sehr schwer dran, weil alle ständig ihre GMX-Mails checken oder die FAZ lesen wollten. Jaja, so Freunde habe ich ;-)

Doch ein paar Webdesign-Pattern, die bisher auf mausbasierten Systemen gut funktionierten, sind mit Touchbedienung einfach unkomfortabel. Und hier stellt sich die Frage, ob iPad und Co. (und die Liebe vieler Webdesigner zu diesen Geräten) eventuell dazu beitragen, dass sich gewisse Webdesign-Pattern verändern, und dass sich diese Veränderungen natürlich auch auf den regulären Desktop zurück-auswirken, denn nicht jeder Website-Betreiber hat Geld und Muße für eine getrennte, individuelle Touchversion seiner Website.

Um was für Techniken geht es nun? Da wäre zu allererst (natürlich) mal Flash für Videos. Hier ist man sich relativ einig, dass bereits viel passiert ist, und auch in Zukunft noch viel passieren wird. Aber da die HTML5-basierten Videoplayer inzwischen oftmals ganz gut mit den flashbasierten mithalten können (siehe Showcase-Vergleich), ist diese vom iPad angestoßene Entwicklung als fast ausschließlich positiv zu werten. Ich kenne jedenfalls niemanden, der es schade fände, wenn die ZDF-Mediathek ab morgen statt Flash den Sublime-Videoplayer verwenden würde.

Ein anderes Ding sind Lightbox-Galerien, die zwar von manchen schon wieder als out angesehen werden, aber immer noch sehr verbreitet sind. Auf dem iPad machen die Dinger nicht so richtig viel Spaß, weil meist der Platz nach unten nicht so richtig ausreicht und das Herumklicken träge ist. Reicht das schon aus, um sich im Zweifelsfall gegen eine Lightbox zu entscheiden, und sich eine andere Galerie-Technik auszudenken? Ich bin nicht sicher. Aber spätestens wenn die ersten Kunden sich ihre Website am Weihnachtstage mal privat auf dem neuen iPad angucken und vom Gefummel mit der Lightbox genervt sind, könnte das spannend werden.

Ebenso könnte es mit zunehmender Touch-Bedienung einen Trend hin zu größeren Schaltflächen und Links geben. Weil der Finger nur grob auf der Touchscheibe platziert werden kann, müssen alle Bedienelemente ein bisschen größer und deutlicher werden, um eine optimale Nutzung zu gewährleisten. Eingefleischte Printdesigner rennen wahrscheinlich spätestens jetzt weinend aus dem Zimmer, weil sie die ganze Fisher-Price-Ästhetik nicht länger ertragen können, aber aus Usability-Sicht ist das natürlich eine feine Sache, denn größere aktive Flächen kommen auch den Mausbenutzern und Sehbehinderten zugute.

Oder ganz speziell: Das Drag&Drop von Elementen. Vor einigen Jahren beeindruckte uns der Shop von Panic Software mit der Möglichkeit, Artikel direkt auf den Warenkorb zu draggen. Auf dem iPad geht das derzeit leider gar nicht. Würde Panic ihren Shop heutzutage noch genauso umsetzen? Oder muss sich der iPad-Safari hier anpassen?

Wahrscheinlich gibt es noch ein paar andere Aspekte, aber ich denke, die Richtung wird deutlich: Auch wenn moderne webkitbasierte Touchbrowser sehr gut mit existierenden Websites umgehen können – ein paar Details würde man für eine explizit optimierte Website doch anders machen. Die Frage ist, ob eine solche Rücksichtnahme gut oder schlecht für die allgemeine Qualität des Webdesigns ist.

Aus meiner Sicht ist die Antwort recht klar: Sie nützt eher, als dass sie schadet! Das iPad kann zu einem gewissen Teil dazu beitragen, dass das Netz nutzerfreundlicher und kompatibler wird. Die hohe Neigung zum Weglassen und Vereinfachen, welche man bei vielen nativen iPad-Apps beobachten kann, stünde auch vielen Websites gut zu Gesicht. (siehe dazu auch meinen Artikel über die ZEIT-App).

Man muss natürlich (wie immer im Leben) wissen, was man tut. Und darf nicht vergessen, dass es auch Dinge gibt, die die Usability auf Nicht-Touchgeräten erhöhen, aber auf dem iPad niemanden stören. Hover-Zustände zum Beispiel. Oder die Möglichkeit, Texte zu skalieren, ohne dass es das Layout zerschießt. Oder der Einsatz von Webfonts, für die es keine komische SVG-Variante für iOS gibt.

Das Web kann also, wenn es sinnvoll gestaltet ist, vielen Anwendungsfällen gerecht werden und erweist sich einmal mehr als Universalmedium für unterschiedlichste Geräte und Eingabemethoden. Prost!