Die kuriose Preispolitik in Sachen »App-Fonts«

Das Lizensieren von Schriftarten war immer schon eine Geschichte voller Missverständnisse. Zum Glück räumt Ralf Herrmann in einer Artikelserie auf Typografie.info gerade ein wenig mit Mythen und gutgemeinten Annahmen auf.

Es ist möglich, zwischen vier unterschiedlichen Nutzungsarten von digitalen Schriften zu unterscheiden. Zwei davon sind relativ eingebürgert: Beim Druck verliert die Schrift seine Digitalität und wird zu einem reinen Konsumgut – man kann die digitalen Daten nicht wiederherstellen, wenn man lediglich das Druckwerk in den Händen hält. Bei der Einbettung in ein PDF oder – Gott, bewahre! – Flash-Dokument ist es schon etwas einfacher, brauchbare digitale Daten zu extrahieren. Doch die Sache bedarf schon eines gewissen technischen Sachverstandes, und die eingebetteten Fonts sind meist auch alles andere als vollständig und entbehren vieler Möglichkeiten der legal erworbenen Originalschriften.

Deshalb sind bei den meisten traditionell verkauften Schriftlizenzen diese beiden Nutzungsarten bereits inklusive, und zwar völlig unbegrenzt. Im Grunde kaum zu glauben, aber es ist egal, wieviele Projekte in welcher Auflage mit einer Schrift umgesetzt werden – die beteiligte Agentur muss lediglich eine einzelne Schriftlizenz erwerben. Diese gilt in der Regel auf unbegrenzte Zeit, und lediglich die Anzahl der involvierten Arbeitsplätze darf eine bestimmte Anzahl nicht überschreiten; 5 ist meist die kleinste Einheit. Es hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte ein Preisrahmen von ca. 30 bis 60 Euro pro Einzelschnitt etabliert, wenn es um professionelle Qualitätsfonts ging.

Bei den Webfonts sieht es bekanntlich schon ein wenig anders aus. Hier gibt es sowohl Miet- als auch Kaufmodelle. Beide sind jedoch in der Regel an eine bestimmte Größenordnung von PageViews oder Site Visits gebunden. Diese wird entweder technisch gemessen (z. B. beim Mietservice Typekit), oder auf Vertrauensbasis vereinbart (z. B. bei FontShop). Auch Webfonts sind in der Regel beschnittene, nicht universell brauchbare Subversionen der eigentlichen Originalschriften – allein aus Trafficgründen. Wenn wir der Einfachheit halber die Kaufpreise ansehen, so finden wir eine ähnliche Dimension vor wie bei den Print-Lizenzen: Für bis zu 500.000 PageViews im Monat kostet so eine FF DIN bei FontShop einmalig 40 Euro pro Schnitt. Das reicht für die meisten Websites.

Völlig durch den Wind ist die Situation jedoch bei Fonts, die im Rahmen von Mobile Apps eingesetzt werden können. Zunächst mal traut sich derzeit kaum einer der angestammten Platzhirschen, überhaupt irgendwelche Lizenzen für Apps herauszugeben. Im Herbst 2011 begann FontFont zaghaft mit einem guten Dutzend Familien, welche exklusiv im FontShop angeboten werden. Auch hier liegt der Preis bei den bekannten 40 bis 60 Euro pro Schnitt, was absolut vernünftig klingt. Seitdem hat sich da aber wenig getan.

Die wohl größte Auswahl an Schriftlizenzen für Apps bietet FontSpring an. Hier beginnen die Preise bei ca. 60 Dollar, reichen aber bis zu 450(!) Dollar pro Schnitt(!), je nach gewünschter Schriftfamilie. Die meisten ordentlichen Fonts kosten ca. 150–200 Dollar. Autsch!

Die allermeisten Anbieter (Schrifthäuser und Online-Stores) machen hingegen keinerlei konkretes Angebot für App-Programmierer. Logisch: Direkt anfragen und einen individuellen Lizenzvertrag machen geht immer. Aber die rechtliche Unsicherheit ist enorm, und zwar auf beiden Seiten: Anbietern und Käufern. Woran es liegt? In meinen Augen vor allem technische Unsicherheit. Bei der Schriftnutzung im Rahmen einer App wird meist die komplette Schriftdatei im Programmpaket mitgeliefert. Mit entsprechenden iOS-Jailbreaks (geht auch ohne) oder einfach unter Android ist es für technisch versierte Anwender leicht, sich die OTF-Dateien herauszufischen. Doch ich frage mich: Was ist schon der Besitz der Schriftdatei wert, wenn man keine Lizenz besitzt? Diese geht ja nicht auf den Käufer der App über! Unter uns: Wer Schriften ohne Lizenz benutzen möchte, schafft dies auch ohne den Umweg eines App-Kaufs.

Ich plädiere daher für faire, halbwegs nachvollziehbare App-Font-Preise in einer einheitlichen Größenordnung! Niemand zahlt 2000 Euro für eine vierköpfige Schriftfamilie, um sie in seiner App einsetzen zu dürfen – dafür gibt es genug kostenlose oder günstige Alternativen. Also, liebe Marktteilnehmer: Bietet uns was an, dann mehren wir gerne die typografische Vielfalt im App-Universum!

An dieser Stelle sei FontSpring aber noch einmal ausdrücklich lobend hervorzuheben. Hier sind Print-, Web-, E-Book- und App-Lizenzen komplett gleichberechtigt, und man muss kein Hintertürchen suchen. Gute Transparenz und Usability, auch wenn der tatsächliche Preis dann oftmal nicht mithalten kann.

(Wie das mit den technischen Aspekten der Fontnutzung in E-Books aussieht, klären wir dann ein andermal. Das ist derzeit eher eine theoretische Idee als ein praktisch durchzuführendes Feature.)