Die magische 500 – was steckt dahinter?

In meinen Gesprächen mit traditionellen Automobilisten höre ich immer und immer wieder die Aussagen, dass man „ab 500 Kilometer Reichweite“ drüber nachdenken würde, sich auch ein Elektroauto zuzulegen.

Diese knackige Schwelle ist eine grobe Faustregel und funktioniert auch schon ganz prima und bequem, denn einerseits klingt das als Ziel absolut machbar, wenn die ZOE schon jetzt (offiziell) 240km bietet und Tesla mit (offiziell) 400 bis 600km wuchert. Andererseits muss man sich keine Sorgen machen, bereits innerhalb der nächsten Monate seine Fahrt- und Kaufgewohnheiten umzustellen, denn bis die 500km zu einem erschwinglichen Preis zu haben sind, dauert es sicher noch bis zum Jahr 2020.

(Die realistische Reichweite errechnet sich übrigens aus der einfachen Formel: Offizielle Reichweite × 0,66)

Aber im Grunde sind die 500km letztlich doch ein eher unbrauchbares und willkürliches Argument, denn sein Ursprung liegt in den aktuell typischen Verbrenner-Reichweiten auf Autobahnfahrten. Würden Verbrenner-Fahrzeuge im Durchschnitt nur 300km weit kommen, würden alle auch für Elektroautos genau diese Zahl einfordern.

Es steckt jedoch mehr dahinter. Denn was nützt mir ein 500km-E-Mobil, wenn es auf Autobahnen keine Ladesäulen gibt, oder wenn solche Ladesäulen für das Vollmachen der 500km-Batterie ganze drei Stunden bräuchten? Klar, ich erhöhe meinen Bewegungsradius für Fahrten ohne Nachladen. Doch hier kann man aus zwei Richtungen dagegen argumentieren:

  1. Für die allermeisten täglichen Stadtfahrten genügen heutige E-Autos mit realistischen 100–150km Reichweite. Wie hoch dieser Anteil in Bezug auf die Gesamtfahrten ist, mag bei jeder Fahrerin unterschiedlich sein, aber da muss man einfach mal ehrlich zu sich selber sein.
  2. Das Unterwegs-Aufladen ist zwar derzeit alles andere als perfekt und muss viel(!) besser werden. Es darf aber kein Argument sein, überhaupt keine längeren Fahrten anzutreten. Mit dem Tesla-Modell sehen wir hier ganz klar die Zukunft: Statt in 5 Minuten 500km Diesel nachzutanken, steht man halt 20–30 Minuten an der Säule, dafür ist Zeit (und Geld) für einen Kaffee und ein Brötchen drin. Keine große Sache.

Ich würde die 500km also umformulieren: Lieber 250 realistische Kilometer und die Möglichkeit, an jeder Autobahn-Tankstelle mit mindestes 100 kW aufzuladen, rund um die Uhr, ohne Mitgliedschaft, am besten an einer überdachten Ladesäule und mit extrem(!) zuverlässiger Verfügbarkeit. Viele Säulenbetreiber ahnen gar nicht, wie viel an E-Mobilität-Begeisterung sie kaputt machen, wenn eine ihrer Ladesäulen nicht funktioniert. Stichwort WAF.

Insgesamt muss man sich aber mal langsam von der Idee lösen, mit dem Elektroauto das Verbrenner-Langstreckenfeeling 1:1 nachbilden zu müssen. Man reist langsamer und entspannter. Stressige und gefährliche Hochgeschwindigkeitstrips von München nach Berlin, mit denen die beschlipste 50plus-Geschäftsführung so gerne beim Smalltalk vor dem Meeting angibt, sind es aus meiner Sicht nicht wert, unbedingt nachgeeifert zu werden.

Ach ja, bevor ich es vergesse: Auf der A81 auf der Hälfte zwischen Würzburg und Heilbronn gehört eine verdammte Ladesäule hin!