Belletristik auf dem iPad

Da ich bekanntermaßen Technologieoptimist bin, und erst recht nachdem ich Kathrin Passigs schönen Text über Papierbücher gelesen habe, musste ich es natürlich selber ausprobieren: Romane auf dem iPad lesen. Die Vorstellung, seinen aktuellen Roman immer dabei zu haben (weil man das iPad immer dabei hat), sowie im Urlaub eventuell eine Tasche weniger mitnehmen zu müssen, klingt verlockend.

So habe ich im letzten Urlaub – parallel zu zwei Taschenbüchern, meinen ersten Roman auf dem iPad gelesen. Es handelte sich um Wolfgang Jeschkes »Der letzte Tag der Schöpfung«. Kein mieses Werk, relativ kurz, und leider mit erschreckend wenig ausgearbeiteten Charakteren. Insgesamt aber schon genau mein Ding, vom Genre und vom Setting her. Und was soll ich sagen? Es ging so. Klar, man kann das schon irgendwie lesen, aber richtig befriedigend war es nicht.

Vor ein paar Tagen startete ich den zweiten Versuch und habe mir »Limit« von Frank Schätzung gekauft. Ungleich umfangreicher, deutlich lebendigere Charaktere, ähnliches Genre. »Der Schwarm« habe ich sehr, sehr gemocht! Aber der Lesespaß hält sich jetzt dennoch in Grenzen. Woran liegt’s?

Hauptproblem: Das iPad ist zu groß und zu schwer! (Nein, ich werde die Hülle sicher nicht abmachen, denn die gehört zum Gerät dazu!) Es lässt sich schwer in der Hand halten während des Lesens, und im Bett ist das Display zu groß, um es neben dem Kopfkissen liegend bequem von oben bis unten zu betrachten. Ich habe es sowohl mit Doppelseiten als auch in der einseitigen Hochkant-Ansicht probiert – klappt alles nicht so richtig gut.

Nächstes Problem: Das iPad ist zu langsam! »Limit« hat im von mir eingestellten Schriftgrad fast 2000 Seiten. Offenbar müssen diese beim Starten von iBooks erst alle automatisch gesetzt werden. Und beim Blättern gibt es oftmals lustige Verschiebungs-Bugs. Rechte Seiten sind auf einmal links, man kann gar nicht blättern usw… Das beruhigt sich zwar nach ein paar Touches wieder, aber das Buch fühlt sich deutlich weniger »stabil« an, als es ein Buch sein sollte.

Außerdem: Die Satzqualität ist ein wichtiger Faktor. Das übersieht man gerne, wenn man ausschließlich gut abgehangene Verlags-Workflows beim Satz von Druckwerken gewohnt ist. Beim automatischen Zusammenstückeln von Buchstaben, Zeilen und Seiten, wie es beim iPad der Fall ist, geht einiges dieses guten Handwerks verloren. Klar, man kann die auffälligsten Hurenkinder und andere Hässlichkeiten in den Griff bekommen. Aber bis man die lesefreundliche Qualität erreicht, die ein gedrucktes Buch de facto besitzt, dauert es noch. Und es stört mich. Ich entdecke jetzt, was schlechte Lesetypografie anstellt: Man bemerkt sie!

Ein Wort zur Batterielaufzeit: Es nervt, dass man immer darauf achten muss! Wenn ich das iPad den Tag über normal genutzt habe, kann es halt passieren, dass am Abend im Bett nur noch 4 oder 5 Prozent Batterielaufzeit übrig ist. Glaubt mir: Es macht keinen Spaß, ein Kapitel zu beginnen, wenn man nicht weiß, ob man es zeitlich noch schaffen wird, es zu Ende zu lesen. Genusslesen auf Zeit ist Scheiße! Und nochmal in den kalten Flur raus, um das Aufladekabel zu holen kommt nicht in die Tüte!

Das klingt alles wie ein Plädoyer auf den Kindle, und tatsächlich würde ich jetzt sofort 150 Euro in die Hand nehmen und mir einen kaufen, wenn es denn ginge! Ich will keinen US-Import mit ausschließlich US-Literatur, sondern alle aktuellen Belletristik-Titel aus Deutschland zum Taschenbuchpreis kaufen. Zuviel verlangt? Klar, das deutschsprachige Angebot im iBooks-Store ist grauenhaft lächerlich, aber immerhin ist es überhaupt vorhanden! Man kann sich ein paar Sachen raussuchen und konsumieren. Der Kindle ist überhaupt gar nicht vorhanden. Und ich bin ja gerne bereit, zu zahlen! Hört ihr, liebe Verlage?

Bis auf weiteres werde ich wohl keine weiteren Bücher auf dem iPad lesen wollen – die Lesesituation erfordert meines Erachtens hochspezielle Hardware. Ich glaube dabei nicht mal, dass das Papierbuch der Weisheit letzter Schluss sein muss und dass es unsere Aufgabe sein muss, diese Experience 1:1 nachzubauen. Aber ein Gerät, das man als Gitarre, E-Mail-Client, Videospielkonsole, Billardtisch und Staffelei verwenden kann, muss nicht zwangsläufig die beste Methode sein, ein Buch zu lesen. Ist es auch nicht – muss aber keinen wundern.