Teile und herrsche!

Ein paar Worte über mein frisch justiertes Arbeits- und Freizeit-Computingverhalten.

Zugegebenermaßen sind iPad-Erfahrungsberichte nicht gerade die Ausgeburt an Originalität, schon gar nicht im Dezember 2010, wo alle schon auf das nächste Modell warten und es nicht annähernd mehr etwas besonderes darstellt, so ein schmuckes Tablet zu besitzen.

Dennoch beginne ich erst in den letzten Tagen, mein iPad richtig zu verwenden. Grund ist eine Art selbstauferlegte Computerknappheit in den heimischen vier Wänden, die derzeit meine Gewohnheiten ganz nett durcheinanderwirbelt.

Seit letzten Freitag bin ich vom jahrelangen, überzeugten Laptop-Anwender zum Stationär-Nutzer geworden: Mein einziger richtiger Arbeitsrechner ist nun ein iMac mit 27 Zoll und SSD, womit eigentlich alles gesagt ist: Pfeilschnelles Arbeiten ohne Wartezeiten und wirklich genügend Pixel zum Ausbreiten von Fenstern und Paletten. Toll!

Im Zuge der Neuanschaffung wollte ich jedoch ebenfalls mein treues Alu-MacBook verkaufen, was ich auch spontan gemacht habe. Nicht ausschließlich aus finanziellen Gründen, sonden durchaus auch im Rahmen eines Experiments, in dessen Mittelpinkt zwei Fragen stehen:

  1. Kann ich Beruf- und Privatleben durch das Weglassen eines vollwertigen »Pendel-Laptops« noch besser trennen?
  2. Kann ich mein iPad stärker ausreizen, wenn ich zuhause quasi gezwungen bin, es als einzigen Rechner zu benutzen?

Die Antwort nähert sich in beiden Fällen einem »Ja« an, soviel sei verraten.

Eines ist klar: Ohne Cloudsyncing wäre das alles nur schwerlich zu ertragen… Ich habe natürlich Mails und Termine komplett über Google ständig aktuell auf beiden Geräten verfügbar, und nutze dazu selbstverständlich native Clients und nicht etwa die Weboberfläche! Darüber hinaus leistet mir Dropbox wertvolle Hilfe, wenn es um den Zugriff auf wichtige Dokumente geht, die ich zwar während der Arbeitszeit erstelle, dann aber zuhause weiterbearbeiten oder zumindest einsehen muss. Erst kürzlich habe ich außerdem Simplenote kennen gelernt, dass für mich eine Art super-reduziertes »Dropbox für Textnotizen« darstellt. Hiermit setze ich seit neuestem meine eigene GTD-Lösung Three Boxes of Joy um, denn ich will natürlich Notizen auf allen meinen Geräten gleichermaßen im Sync halten. Neben den nativen Clients für iPhone und iPad empfehle ich für den Mac übrigens Dashnote, welcher als Dashboard-Widget ständig schnell verfügbar, aber eben nicht dauerhaft im Weg ist. Aber es gibt jede Menge Möglichkeiten, mit Simplenote zu agieren; auch für Windows und Linux existieren brauchbare Clients. Gerade wegen seines absolut minimalistischen, dadurch univsellen Ansatzes genau das richtige für mich. Ich habe nie mehr als 7 oder 8 Notizen am Start, und die Tags benutze ich gar nicht. Trotzdem hilft Simplenote mir enorm, den Kopf freizubekommen, weil ich eben jederzeit an meine Notizen komme, genauso wie ich Dank Dropbox jederzeit an meine Dateien kommen kann!

Syncing ist das eine. Das andere ist das konkrete Arbeiten mit dem iPad. Und hier muss ich sagen: Es geht. Aber man muss ein bisschen Ruhe und Muße mitbringen. Wer es gewohnt ist, blitzschnell mit der Maus zu agieren und auch viel mit Tastaturkomandos zu arbeiten, muss sich erst an eine gewisse Gemächlichkeit gewöhnen. Das Arrangieren und Stylen von Textboxen in Pages ist natürlich fummelig, aber auch alleine Copy & Paste ist eine Katastrophe! Der Wechsel zwischen zwei Programmen ist wirklich ein Wechsel, während man am traditionellen Desktop ja so schnell hin- und herwechselt, dass man eher von Gleichzeitigkeit sprechen kann. Um mit dem iPad frustfrei ein bisschen mehr zu machen als nur Twitter lesen und zeit.de besuchen, muss man sich vorher in einen entschleunigten Modus versetzen, ggf. unter Zuhilfnahme eines Rotweins. Dann macht das Laune. Diesen Text schreibe ich selbstredend auf dem iPad, nutze dabei die App Writer, und werde die Datei morgen früh auf meinem Büro-iMac in der Dropbox wiederfinden. Dort werde ich Links ergänzen, und den Kram in Textpattern importieren. Denn exakt diese Tätigkeit – Hyperlinks rechchieren und Blogtexte damit anreichern – ist auf dem iPad mega-umständlich.

Ein Detail, welches mich derzeit in den Wahnsinn treibt, muss ich auch noch erwähnen: Ich tippe zwar nur mit zwei Fingern, jedoch unüblich schnell. Ich bilde mir ein, alle Tasten ordentlich zu treffen, doch seit einiger Zeit verschluckt das iPad-Keyboard ständig Buchstaben. Ganz besonders gerne die Kombination »er«. Also muss ich wohl noch ein bisschen mehr entschleunigen – oder aber auf ein Software-Update warten.

Insgesamt: Das konstruktive Arbeiten mit dem iPad ist eine andere Form des Umgangs mit dem Computer, für das es bislang keine Nutzungsmöglichkeiten gab. Es macht Spaß, wenn man generell Freude an Vereinfachung und Entschleunigung hat. Oder sich dazu zwingen möchte.

Nachsatz

Ehrlicherweise muss ich noch hinzufügen, dass ich nicht komplett auf einen Laptop im Haus verzichten kann! Im Januar gebe ich einen dreitägigen HTML/CSS-Grundkurs an der ZHdK und bin ebenso drei Tage auf einem Workshop vor Ort bei einem anderen Kunden. Hierbei wäre ich ohne echtes Laptop aufgeschmissen. Doch es gibt ja immer noch mein treues weißes MacBook der allerersten Generation (nur echt mit den braunen Handschweiß-Flecken). Nachdem ich hier Snow Leopard aufgespielt und einen neuen Akku eingesetzt habe, ist das Gerät locker noch gut genug für Präsentationen und Webentwicklung!